EINE GEMEINSAME KOSOVO-POLITIK DER UN IST NICHT IN SICHT
: Anstoß für den Balkan-Friedensprozess

Immerhin: Mittlerweile halten sich die Vertreter des UN-Sicherheitsrats mit Versprechungen zurück, wenn sie schon mal Krisengebiete bereisen. Nach einem Besuch in dem zerstörten bosnischen Muslim-Dorf Ahmici 1993 hatte die damalige Delegation den Mund noch sehr voll genommen. Die Enttäuschung war entsprechend, als der Bosnien-Krieg anschließend weiter eskalierte.

Im Kosovo macht sich bereits jetzt niemand mehr große Illusionen über die Weltorganisation. Die Widersprüche zwischen den Mitgliedsstaaten sind zu offensichtlich. Symptomatisch ist das Verhalten des russischen Vertreters, der es sich auch diesmal nicht nehmen ließ, den vom Den Haager UN-Tribunal als Kriegsverbrecher gesuchten Slobodan Milošević zu besuchen und dessen Forderungen nach einer Rückkehr der serbischen Polizei und Armee ins Kosovo zu wiederholen. Ob die UN überhaupt noch zu einem geschlossenen Handeln in Krisengebieten fähig ist, darf also bezweifelt werden. Doch es gibt auch noch eine UN unterhalb der höchsten politischen Ebene: jene Vertreter der Vereinten Nationen, die sich konkret und vor Ort mit den Konflikten herumschlagen. Und da die Mehrheit des Sicherheitsrats immerhin erkennen ließ, dass am Status quo festgehalten, also das Mandat von Unmik und der KFOR im Juni 2000 um ein Jahr verlängert wird, gab sie dem UN-Kosovo-Verwalter Bernard Kouchner wenigstens etwas Spielraum für pragmatische Politik.

Insgesamt jedoch bleibt UN-Politik auf dem Balkan ein mühsames Geschäft. Mit der Resolution 1.244, die Kosovo einerseits bei Serbien belässt, andererseits als internationales Protektorat definiert, sollte nach dem Krieg die Quadratur des Kreises geschafft werden. Daran muss heute auch der geschickteste Pragmatiker letztlich scheitern – trotz einiger Etappensiege. Es kann nicht darum gehen, Kouchner und seinen „Innenminister“ Tom Koenigs allein verantwortlich zu machen. Im Kosovo und auch in Bosnien braucht es einen politischen Anstoß, um die Situation nach vorne zu bewegen – und der kann nur von den wichtigsten westlichen Mächten ausgehen. ERICH RATHFELDER