: Das Kabel wird aufgerüstet
Netzbetreiber und Wohnungsgesellschaften wollen 1,4 Millionen Haushalte an Multimedianetz anschließen. Datenschützer warnt vor Überwachung, Mieterverein vor Umlage der Kosten
von RALPH BOLLMANN
Rund 1,4 Millionen Berliner Haushalten steht möglicherweise eine Mieterhöhung ins Haus. Nachdem die Deutsche Telekom AG bereits den größten Teil des Berliner Kabelnetzes mit einer höheren Übertragungskapazität und einem Rückkanal ausgestattet hat, soll die neue Technik jetzt auch in die Wohnungen einziehen. Das hat die Telekom nach Angaben von Senatssprecher Michael-Andreas Butz mit einer Reihe von Berliner Netzbetreibern und Wohnungsunternehmen vereinbart.
Die Anschlüsse, die interaktives Fernsehen, einen schnelleren Internetzugang und eine automatische Nebenkostenabrechnung ermöglichen sollen, kosten nach Angaben von Butz 300 Mark pro Wohnung. Diese Kosten könnten, müssten aber nicht auf die Mieter umgelegt werden. In einem ersten Schritt sollten bis zum Herbst etwa 680.000 Wohnungen in den Großsiedlungen in der Mitte und im Osten Berlins den neuen Anschluss erhalten.
Die Telekom modernisiert zur Zeit bundesweit ihr Kabelnetz, das sie nach einer Entscheidung des früheren EU-Wettbewerbskommissars Karel van Miert demnächst an Mitbewerber verkaufen muss. Das nordrhein-westfälische Netz ist bereits an einen amerikanischen Investor verkauft, das hessische Netz soll folgen. Von anderen Regionalgesellschaften, darunter Berlin-Brandenburg, will sich der Ex-monopolist aus steuerlichen Gründen erst im kommenden Jahr trennen. Insgesamt erwartet Telekom-Chef Ron Sommer einen Erlös von mindestens 20 Milliarden Mark.
In Berlin wollte die Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GSW) schon vor drei Jahren einen Modellversuch „Multimedia-Wohnen“ starten. Das Unternehmen war vor allem daran interessiert, den Strom-, Wasser- und Heizenergieverbrauch über das Kabel automatisch ablesen zu können. Das Projekt scheiterte damals an technischen Problemen.
Geblieben sind dagegen die Bedenken der Datenschützer. Schon damals hatte der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka moniert, „ferngesteuerte Messungen oder Beobachtungen in Wohnungen“ dürften nur mit schriftlicher Einwilligung der Betroffenen erfolgen. Diese Einwilligung könne jederzeit widerrufen werden. Außerdem müsse – etwa durch eine rote Lampe – erkennbar sein, wann die Messung durchgeführt wird. Außerdem verlangte Garstka, dass der Mieter den Dienst jederzeit abschalten kann.
Gegen die Verlegung der Kabel als solcher könnten sich die Mieter dagegen nicht wehren, sagte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter. Auf die Miete dürften die Kosten allerdings nicht umgelegt werden, weil der verbesserte Kabelanschluss „keine Wertverbesserung“ für die Wohnung darstelle. Weil erst rund zehn Prozent der BerlinerInnen über einen Internetzugang verfügten, könne der Anschluss „nicht von einer relevanten Zahl an Mietern genutzt werden“.
Ein Sprecher der Bonner Telekom-Zentrale erklärte, die Übertragungskapazität der aufgerüsteten Breitbandkabel sei wesentlich höher als bei einer herkömmlichen ISDN-Leitung oder einem mit der ADSL-Technik ausgestatteten Telefonanschluss. Auch der neue, leistungsfähige UTMS-Standard im Mobilfunk reiche nicht an die Leistungsfähigkeit des Kabelnetzes heran. Dieses sei daher „keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung“ zum übrigen Telekom-Angebot.
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