: Arafat will Blick zum Felsendom
Abu Dis könnte die Hauptstadt Palästinas werden, denn als territoriale Vorgabe will Israels Premier Ehud Barak das Militär aus drei Dörfern bei Jerusalem abziehen. Nur will seine eigene Koalition die Pläne vehement verhindern
aus JerusalemSUSANNE KNAUL
„Die Gründung eines palästinensischen Staates wird Ergebnis der Verhandlungen sein.“ Dies erklärte der israelische Chefunterhändler Oded Eran im Verlauf des diese Woche wieder aufgenommenen israelisch-palästinensischen Friedensdialogs. Der palästinensische Delegationschef Jassir Abbed Rabbo sieht die Staatsausrufung hingegen als „interne Angelegenheit der Autonomiebehörden“. Tatsächlich ist die Frage, ob und wann Palästina gegründet wird, derzeit kein Verhandlungsthema.
Auf der Agenda steht bei den zwei parallel laufenden Verhandlungsgleisen über den Rahmenplan für die Endstatuslösung und über die Interimslösung vor allem die für Juni vorgesehene dritte Truppenabzugsphase. Unklar bleibt vorläufig, ob die Übergabe dreier arabischer Dörfer bei Jerusalem bereits in den kommenden Tagen stattfinden wird. Israels Premierminister Ehud Barak hatte den Militärabzug aus Abu Dis, Asarija und Suwahara-a-Scharkija als „territoriale Vorabgabe“ in Aussicht gestellt. Für die Palästinenser ist vor allem das Dorf Abu Dis von Bedeutung, da dort vor kurzem der über sechs Jahre andauernde Bau des künftigen Parlamentsgebäudes beendet wurde. Bei Staatsgründung wollen die palästinensischen Abgeordneten ihre Büros nach Abu Dis verlegen. Für Palästinenserpräsident Jassir Arafat ist eine Loge mit Blick auf den Felsendom vorgesehen.
Abu Dis gilt zudem als mögliche Hauptstadtalternative. In dem noch inoffiziellen Papier von Abu Masen und Jossi Beilin mit Lösungsvorschlägen zum Status von Jerusalem wird Abu Dis zunächst eingemeindet, um anschließend als „zweites Jerusalem“ erneut abgetrennt zu werden.
Aus israelischer Sicht problematisch ist nicht nur die Nähe von Abu Dis zu Jerusalem, sondern zudem Pläne der Stadtverwaltung, innerhalb von Abu Dis eine neue jüdische Siedlung zu errichten. Mitte des letzten Jahrhunderts hatten jüdische Ultra-Orthodoxe in Abu Dis Ländereien gekauft. Einer der Erben ist der australische Multimillionär Erwin Moskowitz, der mit Neubauten auf seinen Grundstücken in Ostjerusalem wiederholt Konflikte auslöste. Die Proteste aus den eigenen Regierungsreihen lassen Ehud Barak mit der Übergabe der Dörfer zögern. So hatte die National-Religiöse Partei ihren Austritt aus der Koalition angekündigt, und Innenminister Nathan Scharansky, Chef der Immigrantenpartei Israel Be-Aliya, will „alles tun, um die Übergabe der drei Dörfer zu verhindern“.
Der palästinensische Chefunterhändler der Interimsverhandlungen, Saeb Erikat, verurteilte Barak, der, „anstelle mit den Palästinensern zu reden, mit den eigenen Regierungspartnern über eine Vertragslösung verhandelt“. Selbst nach Schätzung des israelischen Polizeiministers Schlomo Ben-Ami „braucht der Premier ein Drittel seiner Zeit, um die Koalition zusammenzuhalten“. Dazu kommt die Kritik aus den Reihen der Opposition. Jerusalems Bürgermeister Ehud Olmert warnte Barak, er würde „einen tragischen Fehler begehen, den die jüdische Geschichte niemals verzeihen wird“. Olmert übersieht dabei, dass die drei Dörfer nicht nur außerhalb der von Israel festgelegten Jerusalemer Stadtgrenzen liegen, sondern bereits zu Regierungszeiten des konservativen Likud als künftig palästinensische Autonomie vorgesehen waren. Die Opposition will versuchen, für ein Referendum über den Rahmenvertrag mit den Palästinensern eine absolute Mehrheit der Gesamtzahl der Wahlberechtigten zwingend zu machen, was voraussichtlich ungefähr 60 Prozent der Wahlbeteiligten bedeutete.
Überschattet werden die Verhandlungen zusätzlich von der jüngsten Regierungsentscheidung, 174 neue Wohneinheiten in der jüdischen Westbank-Siedlung Maale Adumim zu errichten. Den fortgesetzten Siedlungsausbau nannte Abbed Rabbo eine „ernste und gefährliche Angelegenheit“.
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