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Aus dem Poesiealbum

Liebe revisited: Gian Manuel Rau inszeniert an der Schaubühne Robert Schimmelpfennigs Monolog „MEZ“

Es war wieder einer dieser inzwischen fast schon traditionellen 1[ 1]/4-Stunden-Abende, die der Gegend um die Schaubühne herum wohl bald eine aufblühende Gastronomie bescheren werden. Irgendwie müssen all die angefangenen Abende ja weitergehen. Ob auch die Schaubühne auf diese Weise wirklich aufblühen wird, ist dabei aber nicht so sicher.

Die Apsis des Mendelssohn-Baus jedenfalls war wieder nackt bis auf den Beton. Ein leerer Riesenraum. Wenn man genau in ihn hineinhörte, war er erfüllt von Geräuschen. Von Straßenlärm, von Stimmen, manchmal von den Fetzten eines Streits zwischen einem Mann und einer Frau. Und seufzte zwischendurch nicht das schöne Haus selbst: Ach, bespielt mich doch endlich!?

In der Mitte eine kleine Arena mit weniger als hundert Plätzen. In deren Mitte wiederum ein Nachtschrank, ein Paar rote Frauenschuhe davor und ein Stuhl mit Mensch (Ronald Kukulies) drauf. Der Rest des Bühnenbilds (Anne Hölck) war bloß aus dem Staub, den ein vergangenes Leben hinterließ – Umrisse eines Bettes, das dort wohl einmal stand. Das Paar, das darin schlief, ist auseinander. Der Zurückgebliebene erzählt nun, wie alles war.

Roland Schimmelpfennig schrieb den kleinen Monolog, den er MEZ nannte, für eine Frau. Bei Gian Manuel Rau, der ihn nun in Szene setzte, spricht ihn dann ein Mann, und das ist ganz gut so. Denn all das Zwanghafte, mit dem die Fortgegangene ihn traktierte („Das ging mit dir gerade noch, aber auch nur gerade“) – das Vermessen der Schuhabstände und Ärmellängen zum Beispiel, die Wimpelsprache (die uns auch im letzten Otto-Film erfreute) oder das Aufteilen der Kommunikation zwischen Liebespaaren in verschiedene Phasen: bei einem Mann würde solches Benehmen wahrscheinlich weniger auffällig wirken. Es wäre einfach die alte Geschichte vom Haustyrannen, der sich eines Tages ein neues Opfer sucht.

Da aber nun von einer Frau diese Skurrilitäten berichtet werden, kann man dem Abend hin und wieder ein kurzes Grinsen abgewinnen. Und ein wenig auch die Einsicht in die Tragik, dass all diese Zwänge wohl dazu dienten, sich über die Dinge als solche eine Gewissheit zu verschaffen, weil letztlich alles irgendwie ungewiss ist. Besonders die Liebe natürlich. Bloß füllt man damit eben keinen Abend und schon gar nicht ein Theater aus. Höchstens eine Seite im Poesiealbum vielleicht.

Ronald Kukulies erzählt die seltsame Geschichte seiner Figur wohltemperiert. Nur einmal schmeißt er mit dem Stuhl und schreit. Am Ende beißt er auch mal in seinen Schuh. Am lautesten klatschten hinterher die zuschauenden Schaubühnen-Schauspieler. Eine Dame mir gegenüber war schon nach dem dritten Satz schlafend in ihren Sitz gesunken. ESTHER SLEVOGT

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