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potsdamer platz, flagship store etc.Der nackte Geldschein als Affront

SONYS KLEINE FUNKAUSSTELLUNG

Die Konfektionsbranche hat es vorgemacht, Nike Town Berlin die Maßstäbe gesetzt. Und nun besitzt auch Sony am Potsdamer Platz seinen „Flagship Store“. In einem Glaskasten direkt im Sony Center wird die gesamte Produktpalette des japanischen Elektronikherstellers auf insgesamt vier Stockwerken präsentiert. Sonys kleine Funkausstellung ist eigentlich ein Kaufhaus, aber kaum etwas lässt darauf schließen. Vielmehr sieht das Ganze wie eine Ausstellung aus: ein Sony-Museum, gesponsert von Sony.

Blinkende Würfel und andere Kleinteile, vor allem aber die Playstation werden unter Glaskuppeln zur Verehrung freigegeben. Letztere kann immerhin – ganz im Sinne moderner Museumsdidaktik – gleich ausprobiert werden, und zwar wahlweise am Soloterminal oder zu viert am Großbildschirm. Die neuen Dimensionen des Heimkinos lässt man in Schalensitzen über sich ergehen (selbstverständlich zu Filmen der firmeneigenen Abteilung für Picture Entertainment), die angemessene Fankutte findet sich in der hauseigenen Fashion-Line. Eine Treppe höher findet sich auch das Separée für die Connaisseurs unter den Gästen: das versiegelte Hi-Fi-Studio, ein Aquarium im Aquarium, trennt die Spreu vom Weizen.

Momentan gibt sich die Weihestätte allerdings noch ein wenig geschichtsvergessen. Nicht einmal der erste Walkman, eine nun wahrhaft epochale Erfindung der Sony-Ingenieure von 1980, hat seinen Platz gefunden. Aber das Grand Opening ist ja auch erst im Sommer, bis dahin können die Kuratoren noch ein wenig am Konzept feilen. Immerhin darf man einen Blick in die Zukunft werfen: Playstation 2 und der Roboterhund „Aibo“, Herzstück und einzige wirkliche Sehenswürdigkeit, werden wohl bald unverzichtbare Gadgets des gerüsteten Wohnzimmers sein.

Mit den Rundungen des Retrofuturismus verleiht man sich Zeitgeist und Zukunftsfähigkeit zugleich: Ein Tempel des Lifestyles soll es sein, „trendy“ und „cybermäßig“, wie es in der Presse-Info heißt. Doch die unterkühlte Atmosphäre lädt nicht unbedingt zum Verweilen ein, und das liegt nicht nur an der Fußbodenkühlung (Leistung: 140 Watt/qm). Doch nicht nur um High Tech, sondern auch um High Touch soll es hier gehen, so Sony-Deutschland-Chef Leo Bonengl.

Das Interieur allerdings ist so sauber, dass jeder nackte Geldschein in diesem clean chic einem Affront gleichkommt und man von den Angestellten zum Anfassen animiert werden muss. Früher nannte man sie simplifizierend „Verkäufer“, heute sind sie teamfähig geworden und heißen dementsprechend staff, und ein jeder trägt es dick auf dem T-Shirt. Am frühen Nachmittag gibt es davon mehr, als sich Besucher zählen ließen, und ihre Bemühungen wirken ein wenig, als hätte man ihnen Adrenalin gespritzt. Immerhin, den Kompetenztest bestehen diese Jungdynamiker recht ordentlich. Die Frage übrigens, die sie nach eigenen Angaben von den Besuchern am häufigsten gestellt bekommen: „Ist das eine Messe hier?“

SEBASTIAN HANDKE

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