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Marktvergabe nach Gutsherren-Art

■ Seit Monaten soll die Nutzung des Marktplatzes eingeschränkt werden / Jetzt aber will das zuständige Innenressort eine große Polizeiveranstaltung auf dem Markt durchsetzen

Auf dem Marktplatz gilt kein gleiches Recht für alle. Eigentlich wollte Innensenator Bernt Schulte (CDU) die Nutzung von Bremens „guter Stube“ einschränken – jetzt schießt er selbst quer. Auf Betreiben seiner Behörde wurden für das kommende Wochenende die „Sicherheitstage“ genehmigt, die die Polizei in Kooperation mit einer Reihe gemeinnütziger Organisationen veranstaltet. Zur Eröffnung spricht der Innensenator selbst.

In der beantragten Form hat der Beirat Mitte die Veranstaltung einstimmig abgelehnt, die beim letzten Mal vom Platz her noch mit der unteren Rathaushalle ausgekommen war. Mit der Aufstellung von 30 Buden und der Dauer von zwei Tagen widerspreche sie den Intentionen der geplanten Marktplatz-Richtlinie „diametral“, heißt es in dem Beschluss des Gremiums.

Diese Richtlinie verlangt die Einbeziehung städtebaulicher Gesichtspunkte und die Beschränkung von Veranstaltungen auf „einen möglichst kurzen Zeitraum“. Sie ist allerdings bislang nicht in Kraft, war aber ursprünglich vom Innensenator selbst entworfen und dann vom Beirat modifiziert worden.

Statt schwer bewertbarer „hochwertiger Veranstaltungen“ sollten nach Wunsch des Beirates nur solche genehmigt werden, die das „soziale und kulturelle Leben der Stadt in besonderem Maße widerspiegeln“. Promotion-Aktionen wollte der Beirat gänzlich ausgeschlossen wissen. Seit über zwei Monaten ist nun nichts mehr passiert. Das Innenressort hat die Verwaltungsvorschrift nicht in die zuständige Deputation eingebracht.

Ursprünglich hattte es geheißen, die Richtlinie sollte noch vor der Expo greifen, um den dann anreisenden Touristen einen unverstellten Blick auf das historische Ensemble um das Rathaus zu bieten. Davon ist nun keine Rede mehr: Die Expo beginnt in drei Wochen und bislang ist noch nicht einmal klar, ob die Änderungswünsche des Beirats berücksichtigt werden. „Das Beiratsvotum ist nicht bindend“, deutet Innenressort-Sprecher Hartmut Spiesecke an.

Leidtragend ist indes das Stadtamt. Das hatte im Vorgriff auf die zu erwartende Richtlinie bereits Veranstalter abgewiesen. So mussten etwa die Betreiber des Weinfestes den Standort aufgeben. Auch die Polizei-Veranstaltung hielt man nicht für angemessen, ist aus dem Stadtamt zu hören. Aber aus dem Innenressort erging die Anweisung, die Sicherheitstage zu gestatten.

Unterdessen hat dieser Präzedenzfall neue Begehrlichkeiten geweckt. Anträge für die Marktplatznutzung gingen bereits bei verschiedenen Senatoren ein: Die Sparkasse zum Beispiel bat beim Wirtschaftssenator um grünes Licht für ihre 175-Jahr-Feier, das Deutsche Rote Kreuz wendete sich an die Sozialsenatorin: Das Stadtamt ist nur noch Erfüllungsgehilfe der senatorischen Entscheidungen. „Dieser Zustand ist schlechter als die Verhältnisse vor der Formulierung der Richtlinie“, heißt es im Beiratsbeschluss.

Geschickt ging übrigens die IG Metall vor: Zu ihrem Antrag für einen „Stahltag“ zur Fortführung von EU-Subventionen äußerte sich das Stadtamt skeptisch. Daraufhin meldeten die Gewerkschafter kurzerhand eine Demonstration an: Sie darf auf dem Markt stattfinden.

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