: Rau: Leichter einbürgern
Der Bundespräsident wagt einen Vorstoß: Vorbild für das Staatsbürgerschaftsrecht sollen die USA sein. Der Geburtsort, nicht die Abstammung der Eltern entscheidet dann über den Pass
BERLIN taz ■ Bundespräsident Johannes Rau hat sich für eine weitere Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ausgesprochen. Nach einer Begegnung mit neu eingebürgerten Deutschen in seinem Amtssitz Schloss Bellevue sagte der Bundespräsident: „Ich wünsche mir, dass wir in Deutschland zu einem Staatsbürgerschaftsrecht kommen wie in den USA.“
Die USA könne Vorbild sein für eine stärkere Berücksichtigung des Boden- statt des Blutrechts. Da in den USA das Bodenrecht gilt, erhalten dort geborene Kinder automatisch die amerikanische Staatsbürgerschaft.
Die Regeln in Deutschland sind trotz der rot-grünen Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, die zum 1. Januar 2000 in Kraft trat, deutlich restriktiver. So gilt die Einbürgerung von Neugeborenen nur für die Kinder dauerhaft hier lebender Ausländer. Außerdem müssen sie sich im Alter von 23 Jahren für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Rau forderte, auch in Deutschland „soll nicht mehr im Vordergrund stehen, woher die Eltern kommen“. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, begrüßte Raus Vorstoß, der von „guter republikanischer Empfindung“ zeuge.
Einzelheiten seiner ausländerpolitischen Vorstellungen will der Bundespräsident am Freitag im Rahmen seiner „Berliner Rede“ darlegen. Die Ansprache kurz vor dem Jahrestag seiner Wahl zum Bundespräsidenten soll verdeutlichen, dass die Integration von Ausländern ein zentrales Anliegen seiner Amtszeit ist.
Führende Vertreter von Ausländerverbänden, Gewerkschaften und Initiativgruppen setzen hohe Erwartungen in die Rede des Bundespräsidenten. Das Staatsangehörigkeitsrecht ist dabei nur ein Thema, wie eine taz-Umfrage ergab. Zu den zentralen Anliegen des DGB-Bundesvorstands gehören ein „Anti-Diskriminierungs-Gesetz“ sowie die Aufhebung des Arbeitsverbots für Flüchtlinge. Die Rede Raus könne verdeutlichen, dass Integration kein Randgruppenthema sei, glaubt Leo Monz, Leiter des Referats Migration.
„Fragen wie die Steuerung der Zuwanderung müssen endlich gesamtheitlich geregelt werden“, fordert Ulrike Okenwa-Elem. Die Geschäftsführerin des Bundesausländerbeirats hofft, dass Johannes Rau die „Chance der Green-Card-Debatte nutzt, um über ein Gesamtkonzept zur Integration zu reden“.
Die Spitzenvertreter des Islamrats in Deutschland appellieren an den Präsidenten, sich für die Anerkennung des islamischen Religionsunterrichts einzusetzen. „Herr Rau müsste sagen: Die Länder sollen endlich die muslimischen Gemeinschaften als Gesprächspartner akzeptieren“, sagte Generalsekretär Ghulam Totakhyl. Ausschlaggebend sei für die Ausländerorganisationen, dass Rau eine mutige Rede halte. „Die Organisationen können dann sagen: Das hat auch der Bundespräsident gefordert.“
PATRIK SCHWARZ/ASTRID GEISLER
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