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Klassik-Dampfer legt ab

Künftig wird es nur einen öffentlich-rechtlichen Kulturkanal geben. Das soll der SFB-Rundfunkrat morgen beschließen. Die Kooperation mit dem ORB bei RadioEins und Inforadio ist am Ende

von RICHARD ROTHER

In der Region wird es voraussichtlich in Zukunft nur noch einen öffentlich-rechtlichen Kulturkanal im Hörfunk geben. Das Programm, das Kritiker bereits als „Klassik-Dampfer“ verspotten, soll gemeinsam vom Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB), dem Sender Freies Berlin (SFB) und dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) gestaltet werden. Der ORB-Rundfunkrat hat am Dienstagabend an das entsprechende SFB-Gremium appelliert, das unlängst von den drei Hörfunkdirektoren erzielte Verhandlungsergebis zu unterstützen. Am Freitag wird der Programmausschuss des SFB-Rundfunkrats darüber entscheiden. Bisher machen in Berlin Radio 3 und RadioKultur dem Privatsender Klassikradio Konkurrenz.

Der SFB-Rundfunkrat, in dem Vertreter von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und anderen Organisationen sitzen, ist davon wenig begeistert. „Wir haben nur die Wahl zwischen Pest und Cholera“, sagt Ratsmitglied Jürgen Esser. Der Grünen-Abgeordnete kritisiert das neue Programm als altbacken und wenig erfolgversprechend. So soll die Musik auf gängige Klassik beschränkt bleiben, in den Wortbeiträgen hätten gesellschaftspolitische Fragen keinen Platz.

Sollte der Rundfunkrat, in dem die Stimmung bisher gegen eine solche Programmfärbung war, dieses Konzept ablehnen, müsste der SFB in eigener Regie ein Programm auf die Beine stellen. „Das ist teurer“, sagt Esser. Mit dem Beschränken auf eine Welle könnten nämlich jährlich ca. 3 Millionen Mark gespart werden. Esser: „Letzlich geht es nur ums Geld und nicht darum, ein gutes Programm zu machen.“ Dass das neue Programm nicht funktioniere, zeige sich bei Radio 3. Dem seichten Klassik-Sender liefen die Hörer in Scharen davon.

SFB und ORB sind sich allerdings schon länger darin einig, beide gemeinsam betriebenen Kultur-Wellen bis spätestens zum Jahreswechsel zu einer zusammenzulegen. Nur über die Programmausgestaltung hatten sich die Verantwortlichen bislang leidenschaftlich gestritten. „Bisher sind wir aber davon ausgegangen, dass dies auf der Programm-Farbe von RadioKultur geschehe“, kritisiert Esser. Von dem jetzt vorgelegten Vorschlag sei er „auf dem kalten Fuß erwischt worden“.

Nutznießer dieser neuen Entwicklung dürfte der SFB-Sender MultiKulti sein. Sollte einer der beiden Kulturkanäle eingestellt werden, stünde für MultiKulti eine leistungsstärkere Frequenz zur Verfügung.

Bei zwei anderen Programmen sind sich ORB und SFB schon länger darin einig, ihre Kooperation zu beenden. Aus Kostengründen hat der ORB die Zusammenarbeit mit dem InfoRadio aufgekündigt. „Wir halten das Infoprogramm auch weiterhin für ein gutes Projekt, aber wir müssen zunächst an uns denken“, so eine Sprecherin des Senders. Erst in drei bis vier Jahren könne man sich überlegen, wie es mit der Kooperation weitergehe.

Im Gegenzug hatte der SFB angekündigt, die Zusammenarbeit bei RadioEins aufzukündigen. Der Sender für die politisch interessierten 25- bis 45-Jährigen werde aber auf jeden Fall weiterbetrieben, betonte die ORB-Sprecherin.

Zwangsehen machten keinen Sinn, so ein RadioEins-Insider. Unklar ist allerdings die Zukunft der SFB-Mitarbeiter, die bei RadioEins ihren Dienst verrichten. Sollte sich der SFB tatsächlich aus dem Projekt verabschieden, könnte es keinen Platz mehr für sie geben. „Noch stehen die Türen für den SFB offen, sich in irgendeiner Weise an RadioEins zu beteiligen“, sagte die ORB-Sprecherin.

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