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Ehrenrettung für Bersarin

Dem früheren Stadtkommandanten Nikolaj Bersarin wurde wegen eines historischen Irrtumsdie Ehrenbürgerschaft aberkannt. SPD, Grüne und PDS setzen sich für seine Rehabilitierung ein

von DOROTHEE WINDEN

Der Irrtum einer Historikerkommission hat 1992 zu einer politischen Fehlentscheidung geführt: Nikolaj Bersarin, dem ersten sowjetischen Stadtkommandanten Berlins, wurde die Ehrenbürgerwürde aberkannt – zu Unrecht, wie sich jetzt herausstellt. Eine Historikerkommission hatte damals den Vorwurf erhoben, Bersarin sei in der Nacht des 14. Juni 1940 als Militärbefehlshaber im Baltikum für die Deportation von 47.000 Menschen verantwortlich gewesen. Die große Koalition verbannte Bersarin daraufhin aus der Ehrengalerie.

Jetzt kann der Leiter des Museums Karlshorst, Peter Jahn, an Hand der Armeeakten Bersarins nachweisen, dass der Generalleutnant erst mit Befehl vom 26. Mai 1941 aus Sibirien nach Lettland versetzt wurde. An der Zwangsumsiedlung von Balten war er nicht beteiligt. „Die Familie hatte noch nicht die Koffer ausgepackt, da begann der Krieg gegen Deutschland“, so Jahn. Bersarin, der zuvor in Wladiwostok stationiert war, hatte wegen einer Tuberkolose-Erkrankung seiner Tochter um eine Versetzung in ein mildes Klima gebeten.

Die SPD-Kulturpolitiker haben beschlossen, Bersarin die Ehrenbürgerwürde wieder zuzuerkennen. Doch sie wollen sich erst mit dem Koalitionspartner CDU abstimmen. Weil den Grünen das nicht schnell genug geht, werden sie im Parlament einen eigenen Antrag einbringen, um Bersarin zu rehabilitieren. Der grüne Abgeordnete Michael Cramer fordert sogar eine Entschuldigung für die „grandiose Fehlleistung“. Die PDS hielt die Vorwürfe schon immer für haltlos und fühlt sich bestätigt.

Ob die CDU zur Rehabilitierung Bersarins bereit ist, ist noch ungewiss. Die CDU-Kulturpolitikerin Hella Kasten formulierte gestern vorsichtig: „Wenn das ein Irrtum war, muss man darüber nachdenken, ob man die Streichung von der Ehrenbürgerliste revidiert.“

Bersarin ist einer von 27 Ehrenbürgern, die noch zu DDR-Zeiten ernannt wurden. Nach der Wende strich die große Koalition zwanzig Personen von der Liste. Das war nur 1946 schon einmal geschehen: Damals wurden Adolf Hitler und drei weitere Nazi-Größen von der Liste gestrichen.

Die Verdienste Bersarins um die Stadt sind unbestritten. In den acht Wochen, in denen er Stadtkommandant war, habe er „mit enormer Energie“ und „sehr effizient“ die Versorgung der Berliner mit Strom, Wasser und Lebensmitteln sichergestellt, sagte Jahn. Selbst Adenauers Vertriebenenminister Ernst Lemmers (CDU) würdigte Bersarins Einsatz: „Er nahm seine Aufgabe so ernst und hielt sie für so selbstverständlich, als hätte er sie in seinem eigenen Land durchzuführen.“ Jahn ergänzte: Für einen Militär, der gerade noch Krieg gegen die Deutschen geführt habe, sei dies eine beachtliche Leistung.

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