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Theatrale Globalisierung am Leibnizplatz

■ Die kürzlich mit dem deutschen Kritikerpreis ausgezeichnete Shakespeare Company realisiert in der kommenden Woche ein einzigartiges Projekt mit fünf indischen Tänzern

Lob gab es reichlich. Geld gab's keines. Doch wer seit siebzehn Jahren unweit vom Existenzminimum wandelnd durch alle Höhen und Tiefen eines selbstverwalteten Theaterkollektivs gegangen ist, der freut sich auch über reichlich undotiertes Lob. Zumal, wenn es aus berufenem Kritikermunde stammt und die Bremer Shakespeare Company gerade, wie jüngst in Berlin geschehen, für die Einzigartigkeit und Kontinuität ihres Theaterprojektes mit dem renommierten deutschen Kritikerpreis würdigt.

Während die Werder-Fans nach der Pokalfinalniederlage zerknirscht durch Berlins Straßen schlichen, feierte zeitgleich die sechsköpfige Company-Abordnung, dass zumindest sie ihren „Pott“ in Form einer edlen Urkunde nach Bremen geholt hat. Ein wenig steif und sehr würdevoll sei es bei der Preisverleihung im Spiegelzelt vor dem Schillertheater zugegangen, erzählt Company-Mitglied Renate Heitmann. Doch wichtiger als das Zeremoniell selbst sei das Gefühl gewesen, dass sich im Laufe des Abends nicht nur wegen der Laudatio eingestellt habe: „So was wie uns gibt es hierzulande nicht noch einmal!“

In Bremen und den überregionalen Feuilletons erfahre das aber nicht immer die Anerkennung, die sich die Company für ihre Arbeit wünsche, sagt Heitmann. Mit dem Preis, hofft sie, könnte sich das jetzt vielleicht ändern. Und womöglich trägt mehr noch als der deutsche Kritikerpreis jenes Theaterstück dazu bei, das am Mittwoch am Leibnizplatz Premiere feiert.

William Shakespeares „Der Sturm“ steht dann auf dem Programm. Nun wäre dieser Dramatiker allein noch kein Grund, ein ungewöhnliches Bühnenereignis am Leibnizplatz zu vermuten. Doch die Company tritt diesmal nicht allein auf: Gemeinsam mit der indischen Dance-Company der französischen Choreografin Annette Leday hat Regisseur Pit Holzwarth Shakespeares Spätwerk von 1611 inszeniert.

Nicht nur, weil mit Leday und Holzwarth gleich zwei RegisseurInnen für die Inszenierung verantwortlich zeichnen, ist „Der Sturm“ eine unübliche Theaterproduktion. Die Kommunikation zwischen den RegisseurInnen und den jeweils fünf indischen Tänzern und Company-SchauspielerInnen funktionierte trotz babylonischen Sprachgewirrs: Französisch, Englisch, Deutsch und das in Südindien gesprochene Malayalam waren nötig, um in zwei Monaten intensiver Proben dieses multikulturelle Projekt auf die Bühne zu bringen.

Die Idee, „Der Sturm“ als Koproduktion zwischen den beiden Companys zu inszenieren, hatten Holzwarth und Leday bereits seit Jahren. 1994 hatte Holzwarth in Bremen Ledays Company mit dem Stück „La Sensitive“ gesehen und war von der ebenso poetischen wie stilistisch reichen Körpersprache des Ensembles begeistert. In ihrer Arbeit vereint Leday Elemente des traditionellen indischen Tanzes und Schauspiels „Kathakali“ mit europäischen Tanzelementen. Seit 1996 stand dann die „Sturm“-Idee im Raum. Im August des letzten Jahres schließlich besuchten die Company-SchauspielerInnen die indischen Tänzer in ihrer Heimat. Trotz denkbar unterschiedlichster Zugänge zum Material war allen Beteiligten schnell klar, dass man eine gemeinsame Ebene würde finden können.

Die Wahl fiel nicht zufällig auf „Der Sturm“. Shakespeares Kolonialdrama um eine Gruppe von rationalistischen Europäern, die auf einer Insel stranden und dort auf Bewohner treffen, deren Weltverständnis mythisch-magischer Natur ist, bietet sich für zwei Ensembles aus unterschiedlichen Kulturkreisen geradezu an.

Während die SchauspielerInnen der Shakespeare-Company die aristokratischen Aggressoren spielen, werden die Tänzer der Dance-Company jene Kräfte verkörpern, die der von Geistern bevölkerte Insel ihren mythischen Reiz verleihen. Zu den Kathakali-Tänzern gesellt sich eine weiterer indischer Künstler: Am Bühnenrand wird er im Laufe des Stücks aus Reismehl ein so genanntes Kalam zeichnen, eine Art rituelles Bodendesign, das in Südindien insbesondere bei religiösen Anlässen Verwendung findet. zott

Premiere von „Der Sturm“: 17. Mai, 19.30 Uhr, Theater am Leibnizplatz. Weitere 17 Aufführungen sind bis Oktober geplant. Danach gehen die Ensembles mit dem Stück auf Tournee, so dass es in Bremen nicht mehr zu sehen sein wird! Karten kann man reservieren unter Tel.: 500 333

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