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Wo gehts hier lang, bitteschön?

■ Die erstaunliche Konsum-Performance „Where do we go from here“ kommentiert ironisch den grassierenden Event-Hype

Da, wo die Innenstadt besonders zugig ist, schwebt hoch über der unwirtlichen Gertrudenstraße ein Glaskubus mit Stahlskelett. Where do we go from here, dieser „Theaterabend für sieben Schauspieler, drei Musiker und einen großen Glaskasten“ hätte kaum an einem passenderen Ort stattfinden können. Er liest sich wie ein ironischer Kommentar zu allfälligem Event-Hype, Society-Gesülze und Club-Geblubber.

Mitten zwischen einem Gewirr aus Treppen, Trägern und stahlgerippten Fensterflächen steht ein Bühnenpodest. Zentral und im Raum ein paar Gestalten. Autis-tisch brabbeln sie vor sich hin. Sie suchen Anschluss und Anerkennung, wollen Bewunderung oder Macht, trachten nach Kontrolle und Unterwerfung. Es verlangt sie nach einem schnellen Fick oder der Meisterschaft von Bayern München. Aber keiner kann sich dem anderen wirklich erklären. Ein Riesenspaß, den Akteuren zuzuschauen: Eruptiv erbrechen sie Gelächter oder Nudeln, nähern sich abrupt an und stoßen sich impulsiv wieder ab, stammeln in imaginäre Kehlkopf-Handys. Richtig nahe kommen sie sich nur auf Signalton: dann verprügeln sie sich im Zeitlupentempo – hinter beherrschter Fassade lauert die Aggression. Jeder folgt in höchster Eile den machtvollen Aufrufen des hohen Portiers hinter einer Tür im Obergeschoss: zum Chef, zur Karriere, zum Ruhm?

Regisseurin Corinna von Rad ist bei Marthaler in die Lehre gegangen. Doch blinzeln ihre dort gewonnenen Erfahrungen nur wie eine Erinnerung herüber. Zwischen der humorigen Bilder-sprache, den spannungsreichen Tempowechseln und der Raumbespielung entfaltet sie ganz eigene Gesellschafts-Chiffren. Nicht in einer stringenten Geschichte, aber in einem Rätselreigen. „Do good things“ steht so gestickt auf protzigen Goldrandflaggen. Die Farbe des Mammons glänzt hie und da im Raum. Aber der schöne Schein trügt, denn unter Ballroben, falschen Wimpern und Dirndlblusen schlagen nur einsame Herzen. „Wo trifft man sich denn hier?“ fragt einer und bekommt dafür nur eine Abfuhr. Sie finden nicht zusammen. Und wie zum Hohn färbt auch noch die untergehende Sonne über dem Straßenschluchtpanorama den Himmel golden.

Oliver Törner

noch 17. bis 21. Mai, 20.30 Uhr, Gertrudenstraße 3, Telefon 335599

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