Berliner Möllemann gesucht

Nach dem Erfolg in Düsseldorf hofft auch die hiesige FDP auf ein Comeback. Das Problem: Statt des Wundermanns vom Rhein hat sie nur Günter Rexrodt

Seit Sonntagabend schöpft die Berliner FDP wieder Hoffnung. Wenn die Liberalen bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ihren Stimmenanteil auf das Zweieinhalbfache steigern konnten, dann müsste auch in der Hauptstadt – bei einer Startposition von nur 2,2 Prozent – im Jahr 2004 wieder ein Sprung über die Fünfprozenthürde möglich sein. „Natürlich lässt sich das übertragen“, sagte gestern der FDP-Landesvorsitzende Günter Rexrodt.

Was fehlt, ist nur noch der Berliner Möllemann. Doch da haben die Berliner Liberalen ein Problem. Denn außer Rexrodt sind ihre Spitzenkräfte in der Öffentlichkeit unbekannt. Und der Ex-Wirtschaftsminister („Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt“) ist ein Vertreter des marktliberalen Flügels – während der Kollege vom Rhein die Wahl nicht nur mit der Öffnung zur SPD, sondern auch mit sozialliberalen Themen gewann. „Die Liberalen waren zuletzt immer dort erfolgreich, wo sie nicht den marktradikalen Kurs gefahren haben“, sagt der Parteienforscher Richard Stöss von der Freien Universität: „In Berlin ist der sozialliberale Kurs aber völlig weggeputzt.“

Dafür haben die Berliner ihre nationalliberalen Strömung um den Spandauer Rechtsanwalt Alexander von Stahl, deren Programm sich nur schwer von den Thesen der „Republikaner“ unterscheiden lässt. Der Einfluss der Parteirechten ist inzwischen zwar deutlich zurückgedrängt, doch das Image als Rechtsstaatspartei bleibt nachhaltig beschädigt.

Als protestierende Studenten die FDP bewusst als Bonsai-Partei für eine feindliche Übernahme ins Visier nahmen, schien die liberale Splitterpartei endgültig dem öffentlichen Gespött preisgegeben. Die Abwehrversuche vor allem des rechten Parteiflügels machten die Sache nur noch schlimmer.

Anders als im tiefen Westen der Republik können sich die Berliner Liberalen auch nicht als einzig wählbare Protestpartei präsentieren. Schließlich gibt es in Berlin noch die PDS, und die Grünen sitzen nicht in der Regierung. Auch würde die hiesige CDU kaum den Fehler machen, mit einer „Kinder statt Inder“-Kampagne den liberal angehauchten Teil ihrer Klientel in die Flucht zu schlagen. „Die Konkurrenzbedingungen sind in Berlin ungünstiger als in Nordrhein-Westfalen“, sagt Parteienforscher Stöss.

Eines aber steht jetzt schon fest: Jürgen W. Möllemann hat in Berlin plötzlich viele, viele Freunde. „Mein Verhältnis zu Möllemann war mal so und mal so, aber es war nicht durchgehend schlecht“, sagt Rexrodt, der den Parteifreund im Kampf ums Bonner Wirtschaftsministerium schon mal als „Quartalsirren“ bezeichnet haben soll. „Er ist reifer geworden“, glaubt Rexrodt – und fügt hinzu: „Diese Sache hat er richtig gut gemacht.“RALPH BOLLMANN