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Abschied aus Tadschikistan

Heute endet die UN-Mission in dem zentralasiatischen Staat. Alles in allem war sie ein Erfolg. Der Krieg ist beendet, doch es folgen soziale Probleme. Die Weltbank fordert „Strukturanpassung“

aus DuschanbeJAN HELLER

Im UN-Hauptquartier in Duschanbes Gorki-Straße werden die letzten Kisten gepackt. Denn heute läuft das Mandat der UN-Mission Unmot in der ehemaligen Sowjetrepublik Tadschikistan aus, und die letzten der 40 Militärbeobachter verlassen nach knapp sechs Jahren das Land. Seit November 1994 überwachten sie zunächst einen in Teheran geschlossenen Waffenstillstand, der dem 1992 ausgebrochenen Bürgerkrieg zwischen einer von Russland gestützten neokommunistischen Regierung und der bunt gemischten Vereinigten Tadschikischen Opposition (UTO) aus Islamisten, Regionalisten und prowestlichen Demokraten ein Ende setzte. Nach dem formalen Friedensschluss von Moskau im Sommer 1997 begeleiteten sie die Umsetzung des Abkommens, das Staatspräsident Emomali Rahmonow und Oppositionschef Seyyed Abdullo Nuri unterschieben hatten und das als Hauptpunkt die politische Wiedereingliederung der UTO-Parteien und -Politiker vorsah.

Diesen Prozess sah der UN-Sicherheitsrat Ende März als erfolgreich abgeschlossen an. Vor allem die „erfolgreiche Parlamentswahl“ im Februar, die Rahmonows Demokratische Volkspartei haushoch gewann, sei dafür ausschlaggebend gewesen, meinte der stellvertretende UN-Generalsekretär für Friedensoperationen, Hedi Annabi. Er fügte aber auch hinzu, dass die Übergangsperiode seit 1997 schwierig gewesen sei. Die früheren Kriegsparteien hätten es aber geschafft, „die Hindernisse zu überwinden und das Land auf den Weg in Richtung nationaler Versöhnung und Frieden zu bringen“. Das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Mehrmals stand die paritätisch besetzte Nationale Versöhungskommission vor dem Auseinanderbrechen, weil das regierungstreue Parlament die Umsetzung des Moskauer Abkommens immer wieder verschleppte. Abtrünnige Warlords beider Seiten machten das Land unsicher. Beobachter der Präsidentschaftswahl 1999 und der Parlamentswahlen in diesem Jahr beschuldigten die Regierung massiver Manipulationen. Die demokratischen Institutionen sind also noch wenig gefestigt. Doch die UTO und ihre stärkste Kraft, die Islamische Partei der Wiedergeburt, bekannten sich immerhin zum Friedensprozess. Alles in allem kann die UNO ihre Mission in Tadschikistan als erfolgreich verbuchen.

Künftig stehen im ärmsten der GUS-Staaten soziale Probleme im Mittelpunkt. Die Wirtschaft ist weitgehend zerstört. Staatsangestellte verdienen monatlich umgerechnet sechs bis zehn Mark und können sich dabei noch glücklich schätzen, denn jeder fünfte Tadschike muss sich mit zwei Mark oder weniger begnügen. So ist die Markthalle in Duschanbe zwar nicht schlecht mit Lebensmitteln ausgestattet, aber allerorten werden Klagen über steigende Preise laut. Die Weltbank will dem Land nun eine langfristige „Strategie zur Armutsbegrenzung und zum ökonomischen Wachstum“ verschreiben. Wenn die sich allerdings nicht grundsätzlich von der bisher anderen Ländern verordneten „Strukturanpassung“ unterscheidet, könnten die Probleme noch größer werden.

Ein Ergebnis der Wirtschaftsmisere ist die Organisierte Kriminalitaet. Bewaffnete Banden, deren Chefs in Luxuslimousinen mit getönten Scheiben und ohne Nummernschild umherfahren, machen Duschanbes Straßen unsicher. Mitte März startete die Regierung deshalb die „Operation Ordnung“, um alle illegalen Waffen einzusammeln. 160 Kilogramm Rauschgift beschlagnahmten die Sicherheitskräfte allein in den ersten drei Monaten des Jahres. Mitte April wurde mit Nurullo Issajew einer der Paten Duschanbes gestellt und erschossen. Aber auch mehrere Polizisten mussten ihr Leben lassen. Die Rauschgiftmafia ist nicht nur mit früheren Warlords beider Seiten verbunden, sondern verfügt auch über Beziehungen bis in Regierungskreise. Als Polizisten kürzlich nahe der Grenze zu Afghanistan ein Auto mit 30 Kilogramm Opium stoppten, stellte sich heraus, dass es einem Offizier des Sicherheitsministeriums gehörte.

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