american pie
: NBA: Trotz seiner Blessuren treibt Allen Iverson die 76ers voran

„DIE HARD 4“ IN PHILADELPHIA

The jester stole his thorny crown

Die eine Stimme, die er bei der Wahl zum besten NBA-Spieler der Saison bekam und die den totalen Triumph von Shaquille O’Neal verhinderte, hat sich Allen Iverson hart verdient. Seit Wochen spielt der Basketball-Star der Philadelphia 76ers mit einer verrenkten Schulter, einem gebrochenen Zeh, einem Haarriss im Knöchel und einem verstauchten Ellenbogen an seinem Wurfarm. Dennoch ist er drauf und dran, jene Ankündigung wahr zu machen, die er von sich gab, als sein Team in der zweiten Play-off-Runde mit 0:3 gegen die Indiana Pacers zurücklag. Noch nie in der Geschichte der NBA hat eine Mannschaft einen solchen Rückstand in einer Best-of-seven-Serie aufgeholt. „Irgendwann muss es ja mal passieren“, sagte Iverson, „warum nicht durch uns?“

Am Montag trug er seinen Teil dazu bei, der Erfüllung dieser unmöglichen Mission einen Schritt näher zu kommen. In Indianapolis spielte der Mann mit dem malträtierten Körper 46 Minuten und trug 37 Punkte zum 107:86-Sieg der 76ers bei. Damit kam Philadelphia in der Serie auf 2:3 heran und kann am Freitag in eigener Halle ausgleichen. „Was das Talent betrifft, sind wir nicht top in dieser Liga“, meint Iverson, „aber wir haben mehr Herz als alle anderen.“ Was nicht zuletzt für ihn selbst gilt, obwohl sich der 24-jährige Wirbelwind auch bezüglich des Talents kaum verstecken muss.

Die Toughness, mit der Allen Iverson langsam auch all jene Kritiker überzeugt, die ihn früher wegen seines flamboyanten Auftretens geschmäht hatten, erwarb er sich außer in den anrüchigen Vierteln, in denen er aufwuchs, als begabter Football-Quarterback auf der High School. „Football hat mir geholfen, mich an Körperkontakt zu gewöhnen“, berichtet er. Den bekommt er auch gegen Indiana zur Genüge. Allein in den ersten beiden Partien wurde er von den Pacers-Verteidigern 19mal zu Boden geschleudert.

Für derartige Dinge hat jedoch auch Philadelphia einen Spezialisten. Matt Geiger machte erstmals in dieser Hinsicht von sich reden, als er noch im Trikot der Miami Heat in einem Vorbereitungsspiel gegen Orlando Shaquille O’Neal den Finger brach. Inzwischen ist der Glatzkopf bei den 76ers für die Grobheiten zuständig, und in Spiel 4 foulte er Indianas Wurfkünstler Reggie Miller zweimal derart hart, dass dieser die Nerven verlor und den Übeltäter mit einem linken Haken erwischte. Resultat: zwei Spiele Sperre für Geiger, ein Spiel für Miller, den sein Team in Partie 5 nicht nur in der Offensive, sondern auch in der Defensive schmerzlich vermisste.

Empört war man in Philadelphia über die Strafe von 50.000 Dollar, welche die NBA gegen das Team verhängte, weil sie überzeugt war, dass Coach Larry Brown Geigers raues Verhalten angeordnet habe. Dies wird von den 76ers vehement bestritten. „Es gab in dieser Saison 153 absichtliche Fouls, wir hatten davon zwei“, sagt Teambesitzer Pat Croce, „ich weiß nicht, warum die Liga uns jetzt als Beispiel für Schurkerei herausstellt.“

Auch Reggie Miller grummelte über seine Sperre, räumte aber ein, dass die Aktion „nicht meinem Charakter entsprach“. Wesentlich mehr entsprachen die Wortgefechte seinem Charakter, die er sich bei den Matches in Philadelphia mit den 76ers-Fans Bruce Willis und Samuel L. Jackson geliefert hatte. „Die Hard 4“ rief er den beiden Hollywood-Stars in der ersten Reihe höhnisch triumphierend zu, als die Pacers noch den 4:0-Sweep vor Augen hatten. Eine Bemerkung, die am Freitag heftiger auf ihn zurückfallen könnte als jeder Schwinger von Matt Geiger. MATTI LIESKE