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expo 2000BOMBASTISCHES LÜGENPROJEKT

Der FDP-Politiker Jürgen Möllemann fordert, die Sozialhilfe um 200 Mark pro Monat zu erhöhen. Stimmt nicht? Oder: Zwei Packungen Zigaretten pro Tag fördern die Gesundheit. Auch komisch. Frühere Äußerungen von Birgit Breuel zur Expo in Hannover haben einen ähnlichen Wahrheitsgehalt wie obige Behauptungen. Der Staat werde durch die Weltausstellung keine Verluste machen. Es kämen dermaßen viele Touristen, dass sich die Expo von selbst finanziere. So etwas nimmt die heimliche Expo-Chefin heute nicht mehr in den Mund. Ein Defizit von mindestens 400 Millionen Mark muss die öffentliche Hand nun abdecken – nach vorläufigen Berechnungen. Und Breuel baut schon mal vor: Die Zahlen der Besucher würden während der ersten Ausstellungstage unter den Erwartungen bleiben. Weniger Touristen bedeuten auch höhere Verluste.

Die mittlerweile 14-jährige Geschichte der Expo ist eine Aneinanderreihung von Lügen. Noch jede Weltausstellung seit der ersten Party im Londoner Crystal Palace 1851 hat dem Staat massive Verluste beschert. Vancouver 1986, Sevilla 1992 – nicht nur diese Städte zahlen noch heute die Kredite zurück, die forsche Politiker damals zum angeblichen Wohl ihrer Regionen aufnahmen.

Warum diese Verlogenheit? Die Idee zur Expo entwickelte Brigit Breuel 1986 zusammen mit dem Vorstand der Deutschen Messe AG, die jedes Jahr in Hannover die weltgrößten Industrie- und Computermessen ausrichtet. Der Messe-Vorstand suchte damals nach Mitteln, um billig an die fehlende Infrastruktur zu kommen: neue Hallen, Straßen, Bahnlinien, Hotels. Hannover wollte seinen Platz verteidigen im globalen Kampf der Messestandorte. Doch Wirtschaftssubventionen hatten im politischen Klima der späten 80er-Jahre keinen guten Ruf.

An einer ehrlichen Debatte war Birgit Breuel und ihren MitstreiterInnen noch nie gelegen. Zu debattieren wäre: Lohnt sich ein Zehn-Milliarden-Projekt wie die Expo? Kommt gesamtwirtschaftlich betrachtet mehr herein, als ausgegeben wurde? Ein paar tausend temporäre Arbeitsplätze, moderne Straßenbahnen, schöne Haltestellen und einige Milliarden Konsumausgaben von Touristen stehen dem öffentlichen Defizit und einem später meist unausgelasteten Expo-Gelände gegenüber. Eine seriöse Abwägung von Nachteilen und Vorteilen ist nicht möglich. Deshalb sollte man solche Großprojekt einfach lassen – wenn man sie nicht auf Lügen gründen will.

HANNES KOCH

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