Köder sucht Fisch

Mit einer Vortragsreihe von Unternehmensberatern will der Berufsverband Bildender Künstler seine Mitglieder fit machen für die neue Ökonomie

Künstler, meint man, haben Fantasie. Haben sie aber nicht, zumindest was den Gebrauchswert ihrer Arbeit für mögliche Sponsoren angeht. Das zeigten die erstaunten Fragen, die Anja Follmer-Greiff nach ihrem Vortrag „Fundraising für bildende Künstler“ gestellt bekam: Was könnte denn die Gegenleistung sein, die ich einem Unternehmen anbiete? Die Referentin wollte keine Patentrezepte liefern. Jeder sollte selbst nach Motiven der Partner aus der Wirtschaft forschen und sich für deren Bedürfnisse mindestens in dem Maße interessieren, wie man umgekehrt ihre Aufmerksamkeit für die Kunst erwartet. Wer das nicht will, sollte Fundraising vergessen und lieber Taxi fahren. Die meisten Künstler aber, die zu dem Seminar in die Kunstfabrik am Flutgraben gekommen waren, hatten auf einen Agenten gehofft, der ihnen diese ekligen Kontakte mit der harten Außenwelt abnimmt.

„Kunst entfremdet einen vom Leben“, seufzte eine Künstlerin und fand das alles nicht vereinbar mit ihrer Vorstellung vom introvertierten Schaffen. Dass Künstler manchmal vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen, zeigte die Überraschung über eine kleine Information: Eine einfache Gegenleistung wäre zum Beispiel, dass der Unternehmer seine Kunden zur Vernissage einladen kann. Für die Kunstschaffenden lag die Vorstellung, dass Kaufleute, Bürohengste und Verwaltungsmenschen das als Szenenwechsel schätzen könnten, fern.

„Fundraising“ gehört zu den neuen Zauberworten des Kulturbetriebs. Doch den etwas wolkigen Vorstellungen, wie es funktionieren könnte, mangelt es an überzeugenden Modellen in Berlin. Mit dem Vortrag bemühte sich das Bildungswerk des BBK (Berufsverband Bildender Künstler) um Aufklärung. Wie schon eine Woche zuvor, als Andreas Knieriem aus Kassel sein „Coaching für persönliches Wachstum“ unter dem Motto „Was will ich wirklich?“ vorgestellt hatte, prallten die Künstler mit Klagen wie „ich hab’ keinen Agenten, keinen Sekretär, keinen Galeristen, keine Beziehungen“ hart ab.

Knieriem ließ in den Gesprächen kein „hätte“, „wollte“ oder „kann nicht“ zu. Ihre Situation aber mit „ich will“, „ich kann“ und „ich habe“ zu beschreiben, gelang fast keinem der Gekommenen. Was Wunder, werden Künstler nicht gerade mit gesellschaftlicher Anerkennung überschüttet. Doch kulturpolitische Instrumente wie Stipendien, Ankaufskommissionen und Kunst-am-Bau-Regelungen reichen nicht mehr aus. Deshalb haben die Kulturmanagerinnen Anke Michaelis und Christine Lamich für das Programm des Bildungswerkes beschlossen, eine Einführung in die neue Ökonomie anzubieten. Noch stelzt der Dialog zwischen Unternehmensberatern und Kunstszene floskelhaft daher. Follmer-Greiff empfiehlt, sich Leitsätze aus dem Verkaufsseminar neben den Spiegel zu hängen: „Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.“ Dass klingt nicht nach vertrauensvoller Basis für die Zusammenarbeit zwischen beiden.

Unter der Hand wandelt sich mit der Expansion des Kultursponsoring auch der Begriff von Öffentlichkeit, der für das bisherige Verständnis von Kunst als Kommunikation entscheidend ist. Wenn klassische Konzerte zur Hälfte von debis-Kunden gebucht werden und die größte Sammlung von Zeichnungen in den Arbeitsräumen einer Bank hängt, ist eben nicht mehr von einem diffusen „Kunst für alle“ die Rede, sondern von Zielgruppen, die Anja Follmer-Greiff als „meinungsbildende“ und „repräsentative“ Schichten beschrieb. Das schien den ratsuchenden Künstlern aber ziemlich egal, und niemand fragte nach. KATRIN BETTINA MÜLLER