Internet-Mode ausgebootet

Der Internet-Mode-Shop boo.com meldet Konkurs an. Nach dieser ersten großen Internet-Pleite in Europa sehen Analysten weitere Firmen in Gefahr

BERLIN taz ■ Eigentlich schien alles zu stimmen, als die Firma boo.com im November an den Start ging. Neben einer klaren Geschäftsidee – anspruchsvolle Mode über das Internet zu verkaufen – konnte das Unternehmen eine technisch gelungene Website mit virtuellen Models und dreidimensionaler Warenpräsentation vorweisen. Und boo.com hatte das, was Internet-Startup-Unternehmen am dringendsten brauchen: finanzstarke Investoren, die über 120 Millionen Dollar Startkapital zur Verfügung stellten.

Trotzdem hat es nicht gelangt. Am Mittwochabend erklärte sich das Online-Modekaufhaus für zahlungsunfähig. Mit „tiefem Bedauern“ berichteten die schwedischen Eigentümer, Ernst Malmsten und das Model Kajsa Leander, dass sie die zur Rettung des Unternehmens notwendigen Gelder nicht beschaffen konnten. Nach Informationen der BBC fehlten zuletzt 30 Millionen Dollar. Damit steht erstmals in Europa ein großes Internet-Unternehmen vor dem Aus. Rund 300 Mitarbeiter werden nun ihre Jobs verlieren: 200 am Firmensitz in London, weitere 100 in den Außenstellen in München, Stockholm, Paris und New York.

In München traf die Nachricht von der Pleite unerwartet ein, sagte der dortige Geschäftsführer Christoph Vilanek. Er hat gestern ebenfalls Insolvenz beantragt und sieht wenig Hoffnung für die 20 Mitarbeiter in Deutschland.

Analysten sehen durch den Konkurs von boo.com die Zweifel am langfristigen Erfolg vieler Internet-Startups bestätigt. Eine am Mittwoch veröffentlichte Studie des Investmentbüros PricewaterhouseCoopers (PwC) kommt zu dem Schluss, dass ein Viertel der börsennotierten englischen Internet-Firmen im nächsten halben Jahr Pleite gehen könnte.

Durch die hohen Kosten für Technologie und Marketing nutzten die Unternehmen ihre finanziellen Reserven zunehmend schneller auf, so die PwC-Studie. Bei boo.com gingen 25 Millionen Dollar allein für die weltweite PR-Kampagne drauf.

Auch an den Börsen können sich die Startups nicht mehr ohne weiteres mit neuem Geld versorgen. Die Zeiten, in denen jede Firma, die ein „dot.com“ im Namen vorweisen konnte, blind gekauft wurde, sind definitiv vorbei. Nun wollen die Analysten detaillierte Geschäftspläne sehen – und zumindest langfristig eine Aussicht auf Gewinn. Genau daran hat es auch bei boo.com gemangelt. Nach technischen Schwierigkeiten zu Beginn hat das Unternehmen nie die geplanten Kundenzahlen und Umsätze erreicht. Rund 857.000 Dollar Umsatz in den ersten beiden Monaten des Jahres langten bei weitem nicht, um den Betrieb am Leben zu erhalten.

Dennoch kommt der Konkurs überraschend. Denn bei permanent steigenden Umsatzzahlen galten die langfristigen Aussichten von boo.com eigentlich als gut, und mit den dahinter stehenden Investoren – darunter Benetton, Goldmann Sachs und JP Morgan – wurde sie als finanziell belastungsfähig angesehen. Auch technisch galt die Firma mit der mehrfach ausgezeichneten Homepage als richtungsweisend, und die Betreiber hatten zuvor in Schweden eine erfolgreiche Online-Buchhandlung aufgebaut.

Nachdem dieses Aushängeschild der Branche nun trotzdem furios gescheitert ist, dürfte anderen E-Commerce-Anbietern der Wind nun noch steifer ins Gesicht wehen. Selbst Pioniere des Online-Handels bleiben dabei nicht verschont: Auch CDnow und Etoys stehen nach Ansicht von Marktbeobachtern auf der Liste der bedrohten Firmen.

MALTE KREUTZFELDT