: Der afrikanische Weltkrieg
50 Millionen Kongolesen leiden unter dem Krieg in ihrem Land. Rebellen, Besatzungsmächteund die Regierung Kabila aber profitieren vom Status quo. Notwendig wäre ein Waffenembargo
von HEINZ WERNER WESSLER
Afrikas „Erster Weltkrieg“ (Madeleine Albright) tobt seit August 1998 in der Demokratischen Republik Kongo. 2,1 Millionen Menschen sind direkt betroffen; die Zahl der Binnenflüchtlinge liegt bei über einer Million. Die Nahrungsmittelknappheit entwickelt sich absehbar zu einer Hungersnot. Handel, Verwaltung und Bildungswesen erleben einen unvorstellbaren Niedergang; der Staat bedient seine Schulden schon lange nicht mehr.
Das Land ist faktisch geteilt in das Territorium der Regierung Kabila, die militärisch von Angola, Simbabwe und Namibia unterstützt wird, und die besetzten Gebiete, in denen kongolesische Rebellengruppen zusammen mit regulären Truppen aus Uganda, Ruanda und Burundi agieren. Skrupellos werden Kindersoldaten rekrutiert, und Kleinwaffen breiten sich massenhaft aus. Rassenhass wird geschürt und politisch instrumentalisiert, und einer zynischen Klasse von Kriegsgewinnlern erscheint der Status quo profitabler als der Frieden: 50 Millionen Kongolesen sind die Leidtragenden eines anscheinend unentwirrbaren Knäuels von „schwarzafrikanischen“ Problemen.
Bundesaußenminister Fischer weist gern darauf hin, dass die Bundesrepublik Deutschland bis Ende 1999 insgesamt 3,85 Millionen Euro für den Friedensprozess im Kongo zur Verfügung gestellt hat. Doch das sind Peanuts, wenn man dies mit den Investitionen in europanahe Konfliktgebiete vergleicht. Obwohl der EU-Ministerrat im November 1999 den Friedensprozess wortreich unterstützt hat, ist die afrikapolitische Initiativlosigkeit offensichtlich. Nötig hingegen wäre eine aktive Friedenspolitik, die vor allem verhindert, dass europäische und amerikanische Waffen fast ungehindert nach Schwarzafrika gelangen. Umgekehrt wäre zu gewährleisten, dass Rohstoffe von dort – insbesondere Diamanten – nicht unkontrolliert auf die internationalen Märkte ausgeführt werden. Der Rohstoffreichtum darf nicht für Waffen verpulvert werden.
Im Juli 1999 schlossen sämtliche Kriegsparteien in der sambischen Hauptstadt Lusaka ein Waffenstillstandsabkommen, das im März 2000 noch einmal in Ugandas Hauptstadt Kampala bekräftigt wurde. Daraufhin hat der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution 1291 vom 24. Februar dieses Jahres entschieden, die UNO-Beobachtermission Monuc auf 5.500 Mann aufzustocken, um den Waffenstillstand zu überwachen. Allerdings sind sich die Spezialisten einig, dass es sich hierbei nur um eine Verlegenheitslösung handeln kann. Denn weder die UNO noch die Organisation für Afrikanische Einheit bringen derzeit den notwendigen politischen Willen auf, ihre Energien in den anhaltenden Konflikt zu investieren. Im Lusaka-Friedensabkommen wird zwar eine kontrollierte Entwaffnung der Milizen gefordert, doch die Blauhelme werden laut Mandat ihre Finger davon lassen. Sie sollen beobachten, nicht eingreifen.
Zudem ist trotz des Friedensabkommens von Lusaka unsicher, ob die beteiligten Kriegsparteien überhaupt an einem Frieden interessiert sind. Das Besatzungsregime im Osten Kongos, das von Ruanda, Burundi und Uganda aus operiert und mit den kongolesischen Rebellen verbündet ist, kontrolliert rund sechzig Prozent des riesigen Staatsgebietes. Was bedeutet: Es profitiert kräftig vom Rohstoffreichtum der Ostprovinzen. Die Alliierten der Regierung Kabila können mit dem Status quo ebenfalls leben. Eine militärisch schwache und politisch diskreditierte Regierung in Kinshasa ist für sie durchaus vorteilhaft, denn von einem starken Kongo können sie sich strategisch nichts Gutes versprechen. Diese Rechnung geht auf, solange das Eskalationsrisiko des Krieges überschaubar erscheint. Präsident Laurent Kabila wiederum kann sich in diesem Umfeld als Garant für die Einheit des Landes profilieren.
Wenig Interesse an einem Ende des Krieges haben auch die internationalen Abnehmer der Rohstoffe aus dem Osten des Kongo. Der Bericht von Robert Fowler über die Sanktionen gegen die Unita in Angola vom vergangenen März zeigt exemplarisch und mit aller Deutlichkeit, wie bequem sich die vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Handelsembargos umgehen lassen. Ungehindert werden Rohdiamanten aus Angola über die Diamantenbörse in Antwerpen verkauft, der Gewinn wird in Waffen umgesetzt. Zentrale Schaltstellen des Handels befinden sich u. a. in Ruanda und Bulgarien – Staaten, die auch für die Waffenverbreitung im Kongo wesentlich sind. Für den Kongo gilt das Gleiche wie für Angola: Es ist der Rohstoffexport, der die Kriegsmaschine anfeuert und am Laufen hält. Der Rohstoffreichtum ist für Zentralafrika zum Fluch geworden – und Europa ist mit verantwortlich.
Großbritanniens Premierminister Tony Blair hat Anfang Februar daher eine Zertifizierungspflicht für Rohdiamanten sowie ein straffer kontrolliertes Waffenembargo gegen alle zentralafrikanischen Staaten angekündigt. Die britische Regierung reagiert damit auf die scharfe Kritik, die die Ausfuhrerlaubnis für britische Kampfflugzeuge nach Zentralafrika ausgelöst hat. Hier nun müssten Deutschland und die EU nachziehen. Diamanten, Gold und Kupfer, aber auch die für die Chipindustrie wichtigen seltenen Erden aus dem Osten des Kongo dürfen nicht mehr unkontrolliert auf die internationalen Märkte kommen.
Für den Rüstungsexport bestehen immerhin schon Regelungen – so gilt noch immer die EU-Richtlinie von 1993, die ein Waffenembargo gegen das damalige Zaire verhängte. Damit ist der direkte Export zumindest in die Demokratische Republik Kongo verboten. Die Riege der international tätigen Waffenschieber schafft jedoch eine andere Realität. In den Neunzigerjahren ist eine Kaste von „Schreiber“-Typen herangewachsen, die den Waffenexport von Europa und Amerika nach Afrika vermitteln – eine für die Waffenproduzenten in den Industriestaaten durchaus bequeme Einrichtung, die dazu dient, Exportrichtlinien auszuhebeln. Um diesen Handel – vor allem mit „leichten Waffen“ – zu unterbinden, ist eine intelligente Kontrolle notwendig, die auch die Wege über Drittstaaten verfolgt und sich nicht nur auf die Überwachung der direkten Exporte beschränkt. Dazu müssen Institutionen her, die die verschlungenen Vertriebsnetze und auch die mehr und mehr diversifizierten Produktionswege über weitflächig verteilte Standorte mit Lizenzproduktion aufspüren. Das viel beschworene Stichwort lautet auf Englisch smart embargo.
Hoffnungen, dass Deutschland mit der rot-grünen Bundesregierung zum Vorreiter im Kampf gegen die wilde Verbreitung von „leichten Waffen“ in der Welt wird, sind schwer enttäuscht worden. Statt hier international in die Offensive zu gehen, wird rein national und defensiv agiert, wie die Diskussion um die anvisierte Lieferung von Panzern in die Türkei und in die Vereinigten Arabischen Emirate zeigt. Wie bei der Regierung Kohl wird das Thema Waffenexporte mehr und mehr von der Außenwirtschaftspolitik dominiert. Die Perspektiven internationaler Friedenspolitik sind in weiteste Fernen gerückt.
Hinweise:Diamanten, Gold und Kupfer dürfen nicht unkontrolliert auf den Markt kommenNotwendig wäre eine aktive Friedenspolitik, verbunden mit einem Waffenembargo
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