: Liebe zur Drastik
Die Frankfurter Eintracht schickt mit dem 2:1 über Ulm den Verlierer der Partie in die zweite Liga und erfreut sich an Millionen aus Amerika
aus Frankfurt KLAUS TEICHMANN
„Drin“ – der Rest war egal. Schnell hatten die Kicker von Eintracht Frankfurt nach dem Schlusspfiff im Waldstadion die passenden Trikots übergestreift, mal wieder hatte sich die Eintracht – fast schon traditionsgemäß – in letzter Sekunde gerettet. Spätestens nach dem furiosen Bundesligafinale der vergangenen Saison hat man auch beim DFB die Faszination herzzerreißender Abstiegskrimis entdeckt. Rechtzeitig hatte der DFB bestätigt, dass den Frankfurtern zwei Punkte wegen Lizenzverstößen abgezogen werden. Dem „Grande Finale“ der hinteren Ränge stand nichts mehr im Wege.
Das Motto hatten die Eintracht-Fans vorgegeben: „Trotz Punktabzug immer noch da – Spätzchen, ihr könnt uns mal“, hieß es auf einem riesigen Transparent. Bis dies allerdings am Samstagnachmittag endlich klar war, dauerte entgegen der Erwartungen doch seine Zeit. „Es war die große Zitterpartie, die wir eigentlich nicht wollten“, meinte Eintracht-Schleifer Felix Magath hinterher. Lange sah es danach aus, als habe die Eintracht genug von der Drastik so genannter Abstiegs-Endspiele und dem üblichen Herzschlag-Kitsch: „Bis zum 1:1 war das ein sehr gutes Spiel von uns“, erkannte nicht nur Magath.
Die Eintracht spielte überlegen. Bachirou Salou traf schon nach 24 Minuten, und erst als Hans van der Haar kurz vor der Pause den Ausgleich erzielte, kam es zum dramatischen Gezitter. Plötzlich ging bei den Frankfurtern nichts mehr – die nackte Angst regierte. Ein einziges Törchen, und die Eintracht wäre weg gewesen. „Nicht auszudenken, wenn wir nach dieser hervorragenden Rückrunde noch aus der ersten Bundesliga gekegelt worden wären“, berichtete Magath von seinen Angstzuständen. Nur Bayern München und Bayer Leverkusen waren dieses Jahr besser als die Eintracht – allein die vollends verkorkste Hinrunde unter Magaths Vorgänger in der Rolle des Retters, Jörg Berger, machte das Zittern bis zum Schluss erforderlich.
Nach der Pause erinnerte das verstörte Gekicke an die letzten Auftritte unter Berger. Doch auch gegen völlig gelähmte Frankfurter schaffte es der Aufsteiger nicht, den Siegtreffer zu erzielen – David Zdrlic und Rainer Scharinger vergaben die besten Ulmer Möglichkeiten kläglich. Als Horst Heldt in der Schlussminute die 55.000 im Waldstadion mit einem verwandelten Elfmeter erlöste, war es dann doch so gekommen, wie eigentlich alle erwartet hatten – Nichtrauchertribünen haben eben nichts in der Bundesliga zu suchen, wo kämen wir denn da hin.
„Dass wir den bitteren Gang in die 2. Liga antreten müssen, ist sicherlich hart“, meinte ein recht gefasst und ungewohnt redseliger SSV-Coach Martin Andermatt hinterher trotzig, „aber es heißt: Steht auf, wenn ihr Ulmer seit – wir werden sicherlich wieder aufstehen“. Wer jedoch dann genau im Namen des SSV Ulm wieder aufstehen wird, steht noch in den Sternen. Andermatt fordert zunächst einmal Trauerarbeit: „Wir wollen nach so einem Spiel erst einmal die Enttäuschung verarbeiten, bevor wir an die Planung für die 2. Liga gehen.“ Er nehme jedoch an, dass er auch in der nächsten Saison in Ulm bleiben wird, ließ er sich entlocken. Andere werden dann auf jeden Fall gehen: Der hoffnungsvolle Youngster Sascha Rösler wird sich wohl kaum eine weitere Runde mit Kurzeinsätzen unter Andermatt antun – auch Keeper Philipp Laux dürfte die 2. Liga nicht sonderlich reizen.
In Frankfurt dagegen kann man jetzt wieder richtig loslegen – die US-Sportmarketinggesellschaft Octagon steigt ein und wird zwischen 20 und 50 Millionen in den Klub pumpen. „Wir sind sehr froh, nach den intensiven Verhandlungen der letzten Wochen einen Partner gefunden zu haben“, atmete Vize-Präsident Bernd Ehinger letzte Woche durch, „mit dessen Kompetenz und Erfahrung im Bereich Sportmarketing Eintracht Frankfurt wieder ein in allen Bereichen erstklassiger Fußball-Verein wird“. Das Eintracht-Präsidium, mit vier fachlich wenig kompetenten Vize-Präsis, aber ohne Präsident und Manager, wird die Millionen in gewohnter Manier schon wieder für spektakuläre Transfers in den Sand setzen – auf dass es nächstes Jahr am letzten Spieltag wieder ein Endspiel gegen den Abstieg gibt.
Eintracht Frankfurt: Heinen - Hubtschew - Kutschera, Kracht - Guie-Mien (84. Reichenberger), Sobotzik (77. Bindewald), Schur, Heldt, Rasiejewski, - Yang, Salou (66. Fjörtoft) SSV Ulm: Laux - Konrad, Marques, Stadler, Kinkel (70. Trkulja) - Maier (76. Scharinger), Otto, Leandro, Unsöld - van de Haar (63. Gora), Zdrilic Zuschauer: 58.245; Tore: 1:0 Salou (24.), 1:1 van de Haar (40.), 2:1 Heldt (90./Foulelfmeter)
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