: Atommächte wollen abrüsten
Die UNO-Konferenz zur Umsetzung des Atomwaffensperrvertrags erzielt eine Einigung über die Verschrottung nuklearer Arsenale. Doch die Festlegung auf einen konkreten Zeitplan und den Verzicht auf einen Erstschlag kam nicht zustande
NEW YORK ap/rtr/afp ■ Die fünf offiziellen Atommächte haben der internationalen Gemeinschaft erstmals eine unzweideutige Bereitschaft zur vollständigen nuklearen Abrüstung zugesagt. Der Durchbruch wurde am Samstagabend zum Abschluss der vierwöchigen UN-Konferenz über die Umsetzung des 1970 geschlossenen Atomwaffensperrvertrags in New York erzielt. Einen Zeitplan für die Vernichtung ihrer Atomwaffen legten die USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien jedoch nicht vor.
Der Präsident der Konferenz, der algerische UN-Botschafter Abdallah Baali, sprach von einem „großen Tag für die Sache der Nichtweiterverbreitung und Abrüstung von Atomwaffen“. UN-Generalsekretär Kofi Annan würdigte die Vereinbarung als „wichtigen Schritt für die Menschheit, eine friedlichere Welt ohne atomare Bedrohung zu erreichen.“
Das Dokument ist die erste ausdrückliche Verpflichtung der als ständige Mitglieder des Sicherheitsrats über Vetorecht verfügenden Atommächte, einen Prozess einzuleiten, der schließlich zu einer Welt ohne Atomwaffen führen soll. Ein Streit zwischen Washington und Bagdad über die angebliche Entwicklung von Atomwaffen in Irak drohte eine Einigung aller 187 Konferenzteilnehmer zum geplanten Abschluss am Freitag zu verhindern. Baali hielt deshalb am Freitag kurz vor Mitternacht die Konferenzuhr an, um Zeit für weitere Verhandlungen zu gewinnen.
Die Atommächte verpflichten sich in der Erklärung, in den nächsten fünf Jahren konkrete Maßnahmen in Richtung Abrüstung zu ergreifen. Die Konferenz stimmte unter anderem einer weiteren Reduzierung der taktischen Atomwaffen zu. Außerdem wurde eine größere Transparenz der Berichte der Atommächte über ihre Waffen verlangt. In der Abschlusserklärung hieß es weiter, die Atomwaffen müssten in der nationalen Sicherheitspolitik eine geringere Rolle spielen.
Die Konferenz missbilligte die unterirdischen Atomtests, die Indien und Pakistan 1998 durchgeführt hatten. Beide Länder haben, ebenso wie Israel und Kuba, den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet. Erstmals wurde Israel deshalb ausdrücklich genannt. Das Land verfügt über Atomwaffen, hat sich aber nie offiziell zu entsprechenden Berichten von Geheimdiensten geäußert. Beobachter gehen davon aus, dass die offiziellen Atommächte ihre Arsenale nicht vernichten werden, ehe diese vier Staaten nicht den Sperrvertrag unterzeichnet haben.
Der mexikanische Delegationsleiter Antonio de Icaza lobte die Vereinbarung dennoch als Dokument, in dem endlich „alles, was bisher implizit vorhanden war, explizit gesagt worden ist“. Mexiko hatte als Sprecher mehrerer Ländern, die die Abrüstung befürworten, zu Beginn der Konferenz konkrete Maßnahmen für den schrittweisen Abbau der Arsenale verlangt. Erst am Donnerstag konnten diese Länder den Atommächten die Verpflichtung zur völligen Abrüstung abringen.
Der chinesische Delegationsleiter Hu Xiadodi blieb dagegen kritisch: „Das Schlussdokument reflektiert nicht völlig die derzeitige internationale Lage und fordert auch nicht zur Beseitigung der grundlegenden Hindernisse für atomare Abrüstung auf.“ Hu nannte die Fragen der Nato-Erweiterung, keine Erwähnung einer Verpflichtung, Atomwaffen nicht in einem Erstschlag einzusetzen und das geplante US-Raketenabwehrprogramm gegen so genannte Schurkenstaaten.
Unter Abrüstungsaktivisten war die Reaktion auf die Abschlusserklärung gemischt. In einer Stellungnahme des British American Security Information Council hieß es, dass „das Papier viel ‚sollte‘, ‚fordert nachdrücklich dazu auf‘ und ‚müsste‘ enthält. Dennoch sind selbst Baby-Schritte hin zu einem sichereren Planeten etwas, worüber man sich freuen kann.“
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