: Einer trage des anderen Last
Zwangsarbeiter: Zahlungen der Ex-Staatsbetriebe sollen dem Wirtschaftsanteil zugerechnet werden
BERLIN taz ■ Wolfgang Gibowski, Pressesprecher der „Stiftungsinitiative“ zur Entschädigung der Zwangsarbeiter, hat am Wochende eine ebenso elegante wie billige Lösung für die Schwierigkeiten der „Initiative“ beim Sammeln der zugesagten fünf Milliarden Mark vorgeschlagen: die mittlerweile privatisierten Staats- und Kommunalbetriebe sollen aus dem Staatsanteil herausgenommen und dem Privatanteil zugeschlagen werden. Zwar stehe es anders im Entwurf zum Entschädigungsgesetz, aber die Steuereinnahmen des Bundes würden sich ja angesichts der anziehenden Konjunktur erhöhen.
Gibowski bezifferte das Defizit auf zwei Milliarden Mark. Er fügte hinzu, dass von der „Wunschliste bedeutender Unternehmen“, die die Initiative aufgestellt hat, nur 300 keine Beitrittserklärungen abgegeben haben. Die Welt am Sonntag berichtete, dass von 220.000 Unternehmen bislang nur 2.145 beigetreten wären. Die Diskretion, derer sich die „Initiative“ bislang bei ihrer Sammelaktion befleißigte, soll allerdings beibehalten werden. Bis jetzt ist geheim, wer der Initiative mit welchen Summen beitrat und wo bloße Absichtserklärungen vorliegen. So soll es bleiben. Erst recht ist, entgegen Zeitungsveröffentlichungen, nicht daran gedacht, nächste Woche eine Liste der Beitrittsunwilligen in Form einer Zeitungsanzeige zu veröffentlichen. Zu den Firmen, die gegenwärtig „bearbeitet“ werden, zählen der Sportwarenhersteller Adidas, die Zigarettenfirma Rothmans und der Süßwarenproduzent August Stock.
Die deutsche Filiale der Jewish Claims Conference forderte die „Initiative“ dazu auf, die Verweigerer aus der Privatwirtschaft zu nennen und auch die Höhe der Spenden zu veröffentlichen, zu der sich die bislang Beigetretenen bereit erklärt hätten. Prosperierende Unternehmen wie die Allianz, BMW oder die Deutsche Bank müssten eben ihren Anteil erhöhen, wenn sich der Rest so obstinat verhalte wie bisher.
Der Staatssekretär im Finanzministerium, Manfred Overhaus, hat Zeitungsberichten Zufolge zum Telefon gegriffen, um einer Reihe von Firmen mit Staatsanteil Vorgaben für Zahlungen in den Entschädigungsfonds zu machen. Diese Nachhilfe löste bei den angesprochenen Unternehmen „Befremden“ aus. C.S.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen