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Neuer Sieg für Berlusconi

In Italien ist das Referendum über die Wahlrechtsreform kläglich gescheitert. Bei den regierenden Linksdemokraten wächst die Kritik an der Führung

Immer weniger Italiener sehen in Referenden ein wirksames Instrument, um politische Veränderungen zu erzwingen

ROM taz ■ Spektakulär scheiterten am Sonntag die sieben Referenden, zu denen Italiens Wähler aufgerufen waren. Nur 32 Prozent der Stimmberechtigten begaben sich an die Urnen, um über ein reines Mehrheitswahlrecht, die Aufhebung der staatlichen Parteienfinanzierung und die Lockerung des Kündigungsschutzes zu befinden; damit wurde das von der Verfassung vorgeschriebene Quorum von 50 Prozent des Wahlvolks klar verfehlt.

Entscheidend für dieses Resultat ist zunächst die wachsende Referendumsmüdigkeit der Italiener. Gleich siebenmal waren sie in den letzten zehn Jahren zur Abstimmung aufgerufen. Oft genug aber blieben auch erfolgreiche Referenden ohne praktische Folgen, wie etwa die schon 1995 verabschiedete Abschaffung der staatlichen Parteienfinanzierung. Immer weniger Italiener sehen deshalb in Referenden ein wirksames Instrument, um politische Veränderungen zu erzwingen.

Zudem hatte sich im Vorfeld des Referendums eine breite Front von Parteien formiert, die statt des Mehrheits- ein Verhältniswahlrecht nach deutschem Muster anstrebt und deshalb den Boykott der Volksabstimmung propagierte; diese Front reichte von den linksoppositionellen Kommunisten über diverse kleine Mitte-Parteien der Regierungskoalition bis zu Silvio Berlusconis Forza Italia.

Wiederum gelang es Berlusconi, wie schon bei den Regionalwahlen im April, die Abstimmung mit dem Slogan „zu Hause bleiben, um die Regierung nach Hause zu schicken“ in ein Votum gegen die Mitte-links-Koalition umzufunktionieren. Und wiederum fand der Oppositionsführer einen dankbaren Sparringspartner in den Linksdemokraten, die ihrerseits auf Revanche für die Schlappe bei den Regionalwahlen hofften, nun aber eine erneute Niederlage einstecken müssen.

Berlusconi darf sich deshalb mit Recht als Sieger des sonntäglichen Referendums fühlen. Ebenso deutlich liegt die Niederlage der Linksdemokraten auf der Hand: Nicht einmal in ihren Hochburgen, in der Emilia Romagna, in der Toskana und in Umbrien erreichten sie das Quorum von 50 Prozent. Nach ersten Umfragen blieben nicht nur die Anhänger Berlusconis, sondern auch fast die Hälfte der linksdemokratischen Stammwähler am Sonntag zu Hause.

Sofort nach Schließung der Wahllokale meldete sich der linke Parteiflügel mit harscher Kritik am Kurs von Parteichef Walter Veltroni und Ex-Ministerpräsident Massimo D’Alema zu Wort, einem Kurs, der der Partei binnen Monatsfrist drei schwere Niederlagen eingebracht hat: das Debakel bei den Regionalwahlen, den Verlust der Regierungsspitze an den parteilosen Amato und nun die Referendumspleite. Gestärkt sind dagegen neben Berlusconis Oppositionsblock auch die kleinen Mitte-Parteien der Regierungskoalition, die gegen die Linksdemokraten ein reines Verhältniswahlrecht favorisieren und auf diesem Feld zum Dialog mit Berlusconi bereit sind.

Neuen Schwung dürften in den nächsten Wochen die Versuche erhalten, die bisher gespaltenen Minipartner der Linksdemokraten zu einer neuen christdemokratischen Kraft zu vereinen und – so am Wahlabend der Vorsitzende der christdemokratischen Splitterpartei UDEUR, Clemente Mastella – dem linken Koalitionspartner die Bedingungen der weiteren Zusammenarbeit zu diktieren. Anderenfalls drohte Mastella „drastische Konsequenzen“ für die Koalition an: die Aufkündigung des Mitte-links-Bündnisses und die Formierung eines selbstständigen Zentrumsblocks vor den nächsten Wahlen. Ein möglicher Partner steht schon bereit: Berlusconis Forza Italia. MICHAEL BRAUN

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