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Schöne Bilder für die rote Heidi

Freundliches Programm für deutschen Besuch: Kubaner machen Umweltschutz zum Thema für Ministerin. Wieczorek-Zeul spricht mit Dissidenten. Besuch beim einzigen offiziellen Entwicklungshilfeprojekt in Kuba gegen Wüstenbildung

von KATHARINA KOUFEN

Vor 1959, dem Jahr der Revolution, war in Kuba alles schlechter. Davon ist Concepción Campa, die Leiterin des Forschungszentrums „Finlay“ in Havanna überzeugt. Graugelockt und im Blümchenkleid steht sie vor der deutschen Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul und dem Tross aus Mitarbeitern und Journalisten, die im Hörsaal des Gen-Forschungszentrums Platz genommen haben. Untermalt von energischen Gesten nennt die Kubanerin ein Beispiel: Vor 1959 habe es nur drei Universitäten und weniger als 100 Wissenschaftler gegeben – heute seien es 52 Universitäten und mehr als 30.000 Forscher. Campa kommt ins Schwärmen: Im Finlay-Institut arbeiten junge Enthusiasten rund um die Uhr im Forschungszentrum, sogar am Wochenende. Die Kubanerin weiß auch, warum: „Die hoch spezialisierten Fachkräfte tragen im Herzen die Liebe zu ihrer Arbeit.“

BMZ-Chefin Wieczorek-Zeul sitzt in der ersten Reihe. Die Klimaanlage sorgt für winterliche Temperaturen. Ob sie den Wink – Kapitalismus entfremdet – verstanden hat? An dieser These halten die Kubaner offensichtlich eisern fest, die Erinnerung an die Ausbeutung vor 1959 ist präsent. Heute fühlen sich die Arbeiter selbst als die Eigentümer des Mehrwerts, den sie erwirtschaften. Auch Marco Portal, Kubas „Vizeminister für die Grundstoffindustrie“, glaubt an die Revolution. Portal weiß freilich, dass die deutschen Besucher andere Lieblingsthemen haben als den dialektischen Materialismus: Den Umweltschutz zum Beispiel – ein politisch unverfängliches Thema, das zu Hause in Berlin auch die Opposition mitträgt. Der Vorwurf, in Kuba ein undemokratisches Regime zu unterstützen, lässt sich bei der Wüstenbekämpfung eher entkräften als bei Projekten im Bildungsbereich etwa. Portal versichert, dass in Kuba der Umweltschutz sehr wichtig genommen wird. Man ist sichtlich bemüht, bei den Besuchern einen guten Eindruck zu hinterlassen. Also besucht die Ministerin im Aquarium in Havanna einen Workshop über den „nationalen Plan zum Kampf gegen die Wüstenbildung“, den deutsche Mitarbeiter der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und kubanische Experten vorbereitet haben. Der Plan wird von der Bundesregierung mit drei Millionen Mark unterstützt – es ist das einzige offizielle Entwicklungshilfeprojekt. Die Deutsche Stiftung für Entwicklung und die Carl-Duisberg-Gesellschaft ergänzen das Programm durch Trainingskurse – etwa zum Thema partizipative Planungsmethoden.

Partizipation ist eines der Zauberworte, für die es von den Deutschen Geld gibt. Das wird den Kubanern während der drei Tage immer wieder eingehämmert – zwischen den Zeilen, versteht sich. Heidi Wieczorek-Zeul streut Bemerkungen ein wie: „Hat noch jemand eine Frage? Wissen Sie, bei uns geht es immer sehr partizipativ zu“, oder: „Ich finde es wichtig, dass die Bevölkerung einbezogen wird.“ Auch das Verhältnis Kubas zur EU wird, geschickt in einen Gemeinplatz verpackt, zur Sprache gebracht. Weil die EU in der UN-Menschenrechtskonvention gegen Kuba gestimmt und Kuba im Gegenzug seinen Antrag auf Aufnahme in die von Europa beim Handel bevorzugten AKP-Staaten zurück gezogen hat, sind die Beziehungen derzeit kühl. „In den Zeiten der Globalisierung ist die regionale Zusammenarbeit wichtig“, sagt die Ministerin und sucht in den Augen ihrer Zuhörer nach Bestätigung. Die Delegationsmitglieder klatschen.

Aber nicht nur im Umweltschutz kooperieren Deutsche und Kubaner: Die Stahlfabrik Oxisol ist ein Joint-Venture mit der deutschen Firma Messer Griesheim. Die hat die Stickstoffkühlanlange geliefert. Nach dem Vortrag des Grundstoffministers folgt der praktische Teil der Veranstaltung: eine Führung. Die deutsche Entwicklungsministerin mit ihrem khakifarbenen Sonnenhut, Journalisten und Dolmetscherin steigen eine steile Stahltreppe hinauf. Das Werk gleicht von innen einem Museum für Industriegeschichte. Ohne Helm, ohne Ohrschutz, in Sandalen stolpern die Besucher über unverputzt am Boden liegende Kabel und Rohre. Der gigantische Kessel, in dem das Eisenerz zum Ofen transportiert wird, bewegt sich nur ein paar Armlängen entfernt an den Besuchern vorbei. Ein gewaltiger Knall: Der Kessel senkt sich und kippt das Eisenerz ins offene Feuer. Es zischt, staubt und rumpelt. Funken fliegen durch das muffige Dunkel der Fabrik. Die Kamerateams filmen die SPD-Politikerin im Gespräch mit kubanischen Arbeitern. „Ich freue mich, dass Sie mit so viel Engagement bei der Sache sind“, sagt sie in die rußgeschwärzten Gesichter.

Es ist seit 1959 das erste Mal, dass eine deutsche Regierungsdelegation den Inselstaat besucht. SPD und Grüne begrüßten die Reise, genauso wie BDI-Chef Olaf Henkel und kurioser Weise auch der deutsche CSU-Botschafter in Havanna. Zu Hause hingegen hatte es besonders aus den Reihen der CDU/CSU Kritik gehagelt auf die linke SPD-Politikerin, die mit einem kommunistischen Schurkenstaat zusammenarbeiten will. Unter diesem Druck kann Wieczorek-Zeul gar nicht anders, als sich in Havanna mit Regimegegnern zu treffen. In der deutschen Botschaft spricht sie mit drei Dissidenten. Draußen warten die Journalisten. Und staunen nicht schlecht, als sie feststellen, dass Wieczorek-Zeul und der Botschafter sich aus dem Staub gemacht haben, die drei Oppositionellen hingegen seelenruhig auf die Straße hinaus spazieren und verkünden, die Repressalien der Regierung würden zunehmen.

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