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Gisela Jacobius (76) misslang die Flucht ins Ausland. Sie tauchte in die „Illegalität“ ab. In den letzten Kriegstagen überlebte sie in dem Keller einer Kirche – unter anderem mit einem SS-Mann, der vor den Sowjetsoldaten geflohen war. Nach dem Krieg wurde sie in ein Lager in Russland verschleppt. Nach 14 Monaten kehrte sie zurück nach Berlin.

Nach vielen gescheiterten Versuchen bekam die Berliner Familie Jacobius im August 1940 die Möglichkeit, auszuwandern – nach Luxemburg. Aber die Papiere erhielten sie erst einen Tag vor Beginn der Invasion in dem Zwergstaat: Auch dieser Plan scheiterte; Gisela Jacobius und ihre Eltern beschlossen, in die „Illegalität“ zu fliehen. Ab Anfang Januar 1943 lebte sie unter falscher Identität in Bad Saarow im Südosten Berlins, später „mehr oder weniger offiziell“ in dem Ferienhaus einer Bekannten bei Strausberg im Nordosten der Stadt.

Wo ihre Eltern versteckt waren, weiß sie bis heute nicht genau. Keiner sollte das von den anderen wissen, um niemanden verraten zu können, wenn man gefasst und gefoltert werden sollte. Durch Mut und Chuzpe konnte sie ihre wahre Identität immer verbergen. Es half, eine junge Frau zu sein, sagt sie heute – manche drückten deshalb beide Augen zu, andere waren bereit, sie zu verstecken. Viele Nichtjuden, die ihr halfen, verlangten eine Arbeitsleistung für ihre Unterstützung: „Es war nicht alles eitel Sonnenschein.“ Aber immerhin riskierten die Helfer ihr Leben für sie.

Am Ende des Krieges, beim Kampf um die Reichshauptstadt, kam sie mit anderen im Keller einer Kirche unter: Unter ihnen war auch ein schwedischer SS-Mann mit seiner hochschwangeren Frau. Die Sowjets glaubten ihr nicht, dass sie die Nazizeit als Jüdin unter falscher Identität überlebt hatte, und inhaftierten sie 14 Monate lang in Russland. Erst dann fand sie jemanden, der ihre Geschichte glaubte.

Sie kam zurück nach Berlin, wanderte 1948 mit ihrem Stiefvater nach Israel aus, kehrte aber 1953 wieder zurück, da sie das Klima dort nicht vertrug. Die 76-Jährige sagt, sie habe sich im Land der Täter „bewusst wieder eingeordnet“: „Ich bin eben eine geborene Berlinerin“ – und leiser: „Ich bin halt hier.“

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