: Gen-Raps lässt sich nicht stoppen
Schwedische und französiche Behörden ordnen Vernichtung der mit Gen-Pflanzen verunreinigten Rapsfelder an. Das Problem ist kein Einzelfall: Eine US-Analysefirma fand solche Gen-Getreide-Spuren in jeder zweiten Stichprobe von Mais-Saatgut
von MATTHIAS URBACH
Die Entscheidung ist eindeutig. Rapsfelder, die mit gentechnisch verändertem Raps verunreinigt sind, müssen bis zum 7. Juli umgepflügt werden – jedenfalls in Schweden und Frankreich. Das ordneten die dortige Landwirtschaftsministeriem an. Die beiden Länder legen damit die Europäische Freisetzungs-Richtlinie streng aus. Sie verbietet eindeutig die Freisetzung einer nicht genehmigten Sorte. Und der Monsanto Gen-Raps, mit dem der ausgesäte Raps verunreinigt ist, hat keine Genehmigung in Europa. In Deutschland kann die illegale Freisetzung von Genpflanzen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Doch das zuständige baden-württembergische Agrarministerium hält eine Vernichtungsanordnung für unverhältnismäßig, da der hiesige Raps nur mit 0,03 Prozent Gen-Pflanzen vermengt war.
Solche Verunreinigungen sind an der Tagesordnung: So fand etwa das US-amerikanische Analysebüro Genetic ID in 12 von 20 zufällig genommenen Proben von Mais-Saatgut eine Verunreinigung mit dem genmanipuliertem BT-Mais. In zwei der Proben waren es fast ein Prozent. „Ich schätze, dass das ständig passiert“, sagte der Genetic ID-Sprecher Jeffrey Smith dem Wissenschaftsjournal New Scientist.
Der schwedische Saatgutimporteur Svalof Weibull gibt sogar an, erst im März eine weitere Rapslieferung vom Saatguthersteller Advanta bezogen zu haben, in der der Anteil genmanipulierten Rapses sogar 2,6 Prozent betrug.
Wie gut, dass die deutsche Charge nur 0,03 Prozent Gen-Pflanzen enthielt. Das ist freilich gar nicht so sicher – es ist schwer, die genaue Verunreinigung zu messen. Schließlich sind die Körner selten homogen gemischt und es ist nicht einfach, aus einigen Tonnen Saat eine repräsentative Stichprobe zu ziehen. „Wenn jemand sagt 0,1 Prozent Anteil oder 0,03 Prozent, dann müssen das nicht unbedingt verschiedene Lieferungen sein“, erklärt Andreas Wurz, technischer Leiter der Freiburger Analysefirma GeneScan. „Im Bereich unter einem Prozent sind die Messungen sehr ungenau.“ Wurz erklärte der taz, er würde den baden-würtembergischen Wert daher mit Vorsicht genießen.
Greenpeace sieht selbst bei einem Wert von 0,03 Prozent keinen Platz für Abwägungen – und stellte daher gestern Strafanzeige gegen die Saatgutfirma Advanta Seeds. „Die Landwirtschaftsministerien spielen das Problem herunter“, urteilt Stephanie Töwe von Greenpeace. Klar ist: Das Europäische Gentechnikrecht sieht keinen erlaubten Grenzwert vor – jede einzelne der geschätzt 100.000 Gen-Pflanzen ist verboten. So etwas ist aber praktisch kaum umzusetzen, weshalb die Saatgutfirmen bereits auf die Einführung eines Schwellenwertes drängen.
Die Verunreinigungen des Saatguts entstehen durch Kreuzbestäubung, Pollen von Gen-Raps-Feldern bestäubten in Kanada benachbarte Rapsfelder, wo das normale Advanta-Saatgut hergestellt wurde. Vor allem bei Raps geht das sehr leicht, weil dessen Pollen bis zu drei Kilometer weit fliegt.
Wenn in Deutschland erst im großen Stil genveränderter Raps oder Mais angebaut würde, käme es auch auf normalen Ackern zu Kreuzbestäubung. Zu vermeiden wäre das nur durch große Isolationsabstände zwischen den Feldern. Doch selbst bei den experimentellen Freilandversuchen mit Raps ist in Deutschland ein Isolationsabstand nicht zwingend vorgeschrieben – für den Anbau sieht das Gentechnikrecht gar keine Abstände vor. Klagen von Biobauern gegen benachbarten Gen-Raps-Anbau waren bisher nicht erfolgreich. Wenn die Techno-Pflanzen erst großflächig eingeführt ist, wird ihm niemand entgehen können.
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