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Auswanderung in Abriss-Halle

■ Bremerhaven zeigt nur einen Appetithappen statt der urspünglich geplanten kulturellen Freizeitanlage / Kommt der Rest später?

Das Ellis Island Europas hätte es werden können: „Erlebniswelt Auswanderung“ sollte Bremerhavens Publikumsmagnet zur Expo heißen. In prominenter Lage an Bremerhavens „Waterfront“ wollte ein Initiativkreis aus namhaften Unternehmen der Seestadt ein Auswanderermuseum der Superlative bauen – in unmittelbarer Nähe zum Schifffahrtsmuseum und dem geplanten Ocean-Park. Der Komplex aus historischer Ausstellung, Ahnen-Archiv und interkultureller Begegnungsstätte sollte Besucher nicht nur aus dem Inland, sondern vor allem aus den USA an die Wesermündung ziehen. Das überzeugte auch die Expo-Jury, die ihren Segen gab.

Aber mit dem Ocean-Park geriet auch das Auswandererprojekt ins Wanken. Im März 1998 zog der Bremer Senat die Notbremse: Weil das Projekt allein nicht wirtschaftlich sei, wurden die Planungen für das 65-Millionen-Mark-Projekt gestoppt. Aber der Initiativkreis gibt noch nicht auf. Zur Expo präsentiert er sich mit einem ersten „Modul“ für die Erlebniswelt: dem „Abenteuer Spurensuche“.

Das interaktive Mini-Museum gleich neben dem Schifffahrtsmuseum war dem Wirtschaftssenator immerhin noch 2,5 Millionen Mark wert. In einem alten Lagerhaus können die Expo-Gäste auf 550 Quadratmetern den Weg ausgewählter EmigrantInnen mit einem interaktiven Suchspiel nachvollziehen. Am Eingang wählen sie aus sechs möglichen Personen eine aus und erkunden in einem einstündigen Rundgang ihre Geschichte: Motive für die Auswanderung, den Weg über den Atlantik und das Schicksal in den neuen Welt. Neben ganz normalen Wirtschafts-Emigranten sind auch Prominente im Angebot wie Marlene Dietrich oder der deutsche Revolutionär Carl Schurz, der später Innenminister der USA wurde.

Wer danach noch Recherchen nach Auswanderern aus der eigenen Familie anstellen möchte, muss zehn Minuten bis zum Historischen Museum der Stadt gehen. Dort sind an Computerterminals Daten von 3,5 Millionen Auswanderern aus den Jahren 1820 bis 1939 abrufbar. Unter den Daten aus den Passagierlisten findet sich vor allem in der Regel der Geburtsort – ein Schlüssel für weitere Ahnenforschung. Der besonders vor 1903 teilweise lückenhafte Datenbestand wird derzeit durch den Abgleich mit anderen Quellen ergänzt. Für die Recherche müssen sich allerdings vor allem Auswanderer-Nachfahren aus den USA nicht extra nach Bremerhaven bemühen: Per Internet können sie die Auskunft auch beim Museum bestellen – zum Preis von 30 Mark. Museumsleiter Alfred Kube erwartet daher auch keinen Ansturm durch die Expo, zumal das Recherche-Angebot auch danach weiter bestehen wird.

Nicht so das „Abenteuer Spurensuche“: Am 1. November werden Exponate und Computer-Terminals eingemottet und für ein eventuelles Comeback in der „Erlebniswelt“ eingelagert. Das frischrenovierte Lagerhaus wird dann nämlich abgerissen. Thomas Teichfischer, bei der Firma Maierform für die „Spurensuche"-Projektsteuerung zuständig, will mit dem kleinen Vorgeschmack „Investoren Appetit machen“ auf den ganzen Kuchen: „Wenn es gut läuft, ist das ein Argument für die Erlebniswelt in Politik und Wirtschaft.“ Im Wirtschaftsressort hat man das Großprojekt auch noch nicht abgeschrieben. Sprecher Thorsten Groth bekundet sogar „sehr großes Interesse“. Erst nach Abschluss der Planungen könne jedoch über die Finanzierung beschlossen werden. not

Van-Ronzelen-Straße 24, täglich 10-18 Uhr, deutsch/englisch, Eintritt: 8,-/4,- Mark

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