vorlauf: Weihbischöfe und Börsianer
„Aktie – die Lust am Geld“ (Sa, 19.20 Uhr, 3sat)
Deutschland ist im Aktienfieber, und auch 3sat hat’s gemerkt. In der Reihe „Zeit TV“ widmet sich Martina Dase heute daher dem Auf und Ab an den Börsen. Und sie nimmt sich viel vor: nicht nur einen Überblick darüber, wer die neuen Aktionäre in Deutschland sind und was sie so bewegt, sondern auch die große gesellschaftliche Analyse: Das Verhältnis von Politik zu Wirtschaft, von Produktion zu Spekulation, von Aktienkurs zu Arbeitslosigkeit.
Doch auch wenn bekannt ist, dass die Fernsehmagazine renommierter Zeitungen selten die Qualität des Printmediums erreichen, ist das Ergebnis in diesem Fall mehr als enttäuschend: Zwar erfährt man, dass jetzt sogar solch früher börsenunverdächtige Berufsgruppen wie Erzieher, Bauern und Rentner an der Börse spekulieren – mit dem überraschenden Ziel, Geld zu verdienen.
Und auch an mehr oder weniger originellen Wort- und Bildspielen zum Thema herrscht kein Mangel („Nach der Börsen-Hausse drängen auch die Hausfrauen an die Börse . . .“). Auf die vielen interessanten Fragen, die der Film aufwirft, gibt er jedoch schlicht keine Antworten.
Wer noch nie mit Aktien gehandelt hat, wird dem Film ratlos gegenüber stehen: Es wimmelt von „Stock Options“ und „Day Trading“, doch eine Erklärung, wie die Börse eigentlich funktioniert, wird nicht mal andeutungsweise geboten. Und wer sich mit dem Thema hingegen schon mal beschäftigt hat, erfährt garantiert auch nichts Neues: So abgedroschen, so platt, so vorhersehbar sind die Kommentare zu Globalisierung und Börsenboom, dass sie nur schwer erträglich sind. Was die Talkshow-Fans Lothar Späth und Werner Müller zur Wirtschaft zu sagen haben, wird auch durch Wiederholung nicht interessanter. Da muss es schon als positive Überraschung gelten, wenn sich hinter dem Kapitalismuskritiker mit dem Nachnamen Marx nicht der Philosoph Karl verbirgt, sondern der Weihbischof von Paderborn, der mit dem Segen der „ZeitTV“-Macher Aktienwahn und Spekulation als Sünde geißeln darf.
MALTE KREUTZFELDT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
