: Modern Talking
„Borderline-Journalist“ Tom Kummer hat Interviews gefälscht und nimmt erstmals persönlich zu den Vorwürfen Stellung – indem er sie bekräftigt
aus Heidelberg JOACHIM FISCHER
„So genannter Journalismus“ ist Tom Kummers meistgenutzte Vokabel im Deutsch-Amerikanischen Institut (DAI) in Heidelberg. Eigentlich sollte Kummer an vergangenen Samstag im Rahmen der Vortragsreihe „Moderne Mythen“ über das Phänomen Starkult sprechen. Als mutmaßlicher Gesprächspartner zahlreicher Promintenter schien er sich als Experte für dieses Thema qualifiziert zu haben.
Doch „aus aktuellem Anlass“ habe er seine Rede geändert, erklärte er schmunzelnd dem Heidelberger Publikum und stellte sein Verständnis vom „sogenannten Journalismus“ vor, nach dem die Grenzen zwischen Facts und Fiction mehr und mehr verschwimmen.
Der „so genannte Journalismus“ ist laut Kummer „die Welt der Mythen-Macher und ihrer engsten Verbündenten – die Stars“. Stars seien gewaltige Informationsträger, und „Stars sind Werbeträger. Sie besitzen keinen eigenen Verstand.“ Imageberater und PR-Strategen konstruierten ihr Bild. Ihr Ziel, so Kummer, sei „die Hybridisierung des Journalismus, die Vermischung von so genanntem Journalismus, PR und Werbung“.
Die Journalisten spielten nur zu gerne mit, bastelten selbst mit am Konstrukt der selbst geschaffenen Realität: „Der Reporter ist Chronist und Akteur zugleich.“
„Wir schaffen eine Welt, in der keine absolute Wahrheit gefordert wird“, meint Kummer. Anstelle der Journalisten hätten die „Choreographen der Wirklichkeit“ die Regie übernommen. Wie er seine Rolle in diesem Spiel sieht, hat Kummer schon vor einem Jahr nach seinem Rauswurf beim SZ-Magazin in einem Brief an Chefredakteur Ulf Poschardt geschrieben: Er betrachte seinen „journalistischen Beitrag zum Celebrity-Journalismus als Konzept-Kunst“.
„Ich halte mich für einen Nicht-Journalisten“, betonte Kummer in Heidelberg. Ob das auch seine Auftraggeber gewusst hätten? „Das habe ich mit meinen Auftraggebern nie diskutiert.“ In eine Schublade mit Michael Born, der nachweislich Fernseh-Beiträge gefälscht hatte, möchte Kummer nicht gesteckt werden. „Schreiben ist etwas ganz anderes als Bildermachen. Das kann man nicht vergleichen.“
„Die Publikation, für die ich gearbeitet habe, hatte einen ganz klaren Kunstanspruch“, behauptet Kummer im DAI. „Ich kann es natürlich verstehen, dass manche Leute sauer auf das sind, was wir beim SZ-Magazin gemacht haben. Und ich sage ganz bewusst ‚wir‘.“
Dennoch: „Für mich ist das SZ-Magazin die beste Neuerscheinung, seitdem es den Spiegel gibt.“ Kummer möchte nicht missverstanden werden. Natürlich gebe es nicht nur den „so genannten Journalismus“, sondern auch „echten Journalismus“. Ob seine Auftraggeber beim SZ-Magazin dann echte oder so genannte Journalisten waren? „Sorry“, sagt er nach eine kurzen Pause. „Diese Frage beantworte ich nicht.“
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