: 4,64 Mark pro Tag reichen nicht zum Leben
■ Familien Power fordert Erhalt der „Nullscheine“ für Kindergartenplätze
Der Elternverein „Familien Power“ hat den Senat gestern aufgefordert, unverzüglich die „Nullscheine“ für Sozialhilfeempfänger wieder einzuführen. Andernfalls dränge Rot-Grün deren Kinder aus den Kindergärten und veranstalte einen „sozialpolitischen Amok-lauf“, sagte Matthias Taube, Vorsitzender von „Familien Power“.
Bisher haben „Nullscheine“ Sozialhilfeempfänger von den Gebühren für den Halbtagskindergarten befreit. Die werden, wie die taz hamburg gestern berichtete, zum August abgeschafft. Denn der Mindestbeitrag wurde von 80 auf 50 Mark gesenkt. Und die hält man im Amt für Jugend für zumutbar.
Taube rechnete anhand von Beispielen vor, was die Neuregelung für die Familien bedeutet. Eine allein erziehende Mutter aus Eimbüttel beispielsweise hat für sich und ihre dreijährige Tochter nach Abzug von Miete, Strom und Telefon noch 700 Mark zum Leben. Das Kind ist gerade im Kindergarten eingewöhnt, sie möchte ihre Tochter nicht abmelden.
Nicht einmal diese Wahl, so Taube, habe dagegen eine ihm bekannte vierköpfige Familie aus Harburg. Der Vater ist arbeitslos, die Mutter teilzeitbeschäftigt, nach Abzug von Miete und Strom bleiben dieser Familie noch 724 Mark und 48 Pfennig monatlich zum Leben. 50 Mark Kita-Gebühr sind da nicht drin. Der fünfjährige Sohn wird im Kindergarten abgemeldet.
Gleich zwei Kinder abmelden muss nach Auskunft des Elternvertretervereins eine allein erziehende Mutter aus Jenfeld. Zwar bekommt sie für ihre drei Kinder 810 Mark Kindergeld, 515 Mark Wohngeld und 750 Mark Unterhalt. Doch nach Abzug von Miete und Strom bleiben diesem Haushalt noch 657 Mark. Würde diese Mutter für ihre vier- und fünfjährigen Söhne je 50 Mark zahlen, blieben pro Person und Tag 4,64 Mark zum Leben.
Zur Zeit sind 15 Prozent der rund 13.000 Halbtagsplätze per Nullschein vergeben. Familien Power rechnet damit, dass 40 Prozent der betroffenen Eltern ihre Kinder abmelden. Taube fordert die alte Gebührenfreiheit zurück, wenigstens für die Halbtagsplätze.
Auch die Bürgerschaftsabgeordnete Heike Sudmann von der Gruppe Regenbogen fordert, „dass nicht die Berufstätigkeit der Eltern das ausschlaggebende Kriterium für die Betreuung der Kinder sein darf, sondern die Bedürfnisse der Kinder im Mittelpunkt stehen“.
Kaija Kutter
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