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Senat kürzt Mittel für Sozialprojekte

Grüne: Kahlschlag im Programm „Hilfe zur Arbeit“ gefährdet 250 Jobs von ehemaligen Sozialhilfeempfängern

Mualla G. ist sauer. „Ich war so stolz, nicht mehr zum Sozialamt gehen zu müssen“, sagt die 29-jährige Türkin. Seit August hat die allein erziehende Mutter von zwei Kinder einen Job – als Küchenhilfe beim Kreuzberger Qualifzierungs- und Beschäftigungsprojekt Pottporree. Immerhin 2.090 Mark gingen monatlich auf ihr Konto – so viel hatte die Frau noch nie verdient.

Doch Ende April hat der Senat den Geldhahn aus dem Programm „Hilfe zur Arbeit“ (HzA) für das Projekt zugedreht, das älteren Menschen in Kreuzberg täglich ein warmes Mittagessen kocht und liefert. 15 auf dem Arbeitmarkt schwer vermittelbare Frauen haben hier nicht nur einen Job gefunden, sondern sich auch hauswirtschaftliche Kenntnisse angeeignet. Damit ist es vorbei: Zum 30. April habe er fast allen Beschäftigten kündigen müssen, weil der Senat keine Anschlussfinanzierung gewährt habe, sagte Pottporree-Geschäftsführer Wolfgang Hahn gestern.

Pottporree ist kein Einzelfall. Bei den HzA-Projekten gebe es einen regelrechten Kahlschlag, kritisierte gestern die Grünen-Abgeordnete Sybill Klotz. Betroffen seien rund 16 Projekte mit rund 250 Teilnehmern. Für Klotz ist die Mittelstreichung unverständlich. „Da wird falsch gespart und falsch gerechnet.“ Da eine HzA-Stelle zu großen Teilen aus Mitteln der Sozialhilfe und des Europäischen Sozialfonds finanziert werde, zahle das Land nur 9.500 Mark jährlich. Auch wenn ein Teilnehmer im Anschluss an eine Maßnahme nicht den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt schaffen würde, spare letztlich das Land Sozialhilfekosten, da der Teilnehmer dann Arbeitslosengeld bekäme. Klotz: „Die kurzfristige Einsparung führt langfristig sogar zu Mehrkosten.“

Klaus-Peter Florian, Sprecher der Arbeitsverwaltung, lässt die Vorwürfe nicht gelten. „Wir müssen unsere begrenzten Ressourcen sinnvoll einsetzen.“ Insgesamt würden knapp 70.000 Menschen arbeitsmarktpolitisch gefördert. Bei 850 HzA-Beschäftigten könne von einem Kahlschlag keine Rede sein. Klärungsbedarf gebe es lediglich bei acht Projekten mit 150 Teilnehmern. Diese könnten auf andere arbeitsmarktpolitische Programme, etwa Integration durch Arbeit (IdA), ausweichen.

Die Betroffenen lehnen das ab. „Wenn ich eine IdA-Stelle annehme, kriege ich nur noch 1.500 Mark“, sagt Mualla G. Dann müsse sie wieder ergänzende Sozialhilfe beantragen.

RICHARD ROTHER

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