: 56 Zeilen Großliteratur
William H. Gass, Wolfgang Rohner-Radegast: Kleiner Hinweis auf die Literaturzeitschrift „Schreibheft“
Das Schreibheft ist bekanntlich so etwas wie das Zentralorgan der Entdeckungsreisenden in Sachen Literatur: Die Schwierigen, die Unzeitgemäßen und die großen Experimentierer, hier werden sie gefunden und begleitet. Gleich zwei solcher Schwergewichte behandelt die aktuelle 54. Ausgabe der Literaturzeitschrift. Und wenn man jetzt noch erwähnt, dass der auch nicht eben einfache Reinhard Jirgl sozusagen unter ferner liefen auch noch vorkommt, sieht man schon, dass die anderen beiden wirkliche Hochkaräter der Schwerliteratur sein müssen.
Es handelt sich zum einen um den Amerikaner William H. Gass, der 26 Jahre an dem Roman „Der Tunnel“ saß – einer breit, tief und weit angelegten Untersuchung über den „Faschismus des Herzens“, der Voraussetzungen also, die zum Faschismus führen. Das Schreibheft bringt ein Gespräch mit Gass, einen Einführungsessay sowie längere, von Marcus Ingendaay ins Deutsche übersetzte Abschnitte aus dem in Amerika vor fünf Jahren erschienenen Roman.
Der zweite ist Wolfgang Rohner-Radegast. Die Wurzeln seines ausufernden Romanprojekts „Kinderblitz, Jambudvipa“ reichen bis in die 50er-Jahre zurück. Es umfasst 3.300 Manuskriptseiten, ein erster Teil von 750 Seiten ist kürzlich in der Edition Isele erschienen. Im Schreibheft sind Auszüge zu lesen sowie das Exposé und ein Bericht des inzwischen 80-jährigen Autors über die Entstehungsgeschichte des monumentalen, zeiten- und grenzüberschreitenden Romans. Danach kann man sich Gedanken machen, ob man ein paar Monate seines Lebens in die Lektüre investiert.
Norbert Wehr (Hg.): „Schreibheft – Zeitschrift für Literatur“, Nummer 54. Rigodon Verlag, Essen. 192 Seiten, 20 DM
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