piwik no script img

Reisefreiheit eingeschränkt

19 Hooligans dürfen während der Fußball-Europameisterschaft nur aufs Polizeirevier statt ins Stadion: Meldepflicht und Passentzug sollen potenzielle Gewalttäter von der Anreise abhalten

von ANDREAS SPANNBAUER

19 als „gewaltbereit“ eingestufte Hooligans aus Berlin müssen während der Fußball-Europameisterschaft zu Hause bleiben. Für die Dauer der Vorrunde der „Euro 2000“ in den Niederlanden und in Belgien seien ihre Pässe für die Einreise in diese Länder ungültig, teilte die Polizei gestern mit.

„Wer trotzdem über die grüne Grenze auszureisen versucht, muss mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe rechnen“, sagte Polizeikommisarin Iris Tappendorf, Leiterin der „Arbeitsgruppe Hooligan“. Die Polizei plant verstärkte Kontrollen an den Grenzen.

Zudem müssen sich die Betroffenen – allesamt Männer – ab Beginn der Europameisterschaft am 10. Juni an den Spieltagen der deutschen Mannschaft zwischen 18 und 20 Uhr auf ihrem zuständigen Polizeiabschnitt melden. Kommen sie dieser Auflage nicht nach, droht ihnen eine Ordnungsstrafe von 2.000 Mark. Die Polizei hat die Beschuldigten über die Maßnahmen informiert. Bisher hat sich nur einer von ihnen zu den Verdächtigungen geäußert.

Grundlage für die Maßnahmen ist eine Verschärfung des Passgesetzes, die am 11. Mai in Kraft getreten ist. Demnach ist die Ausreise auch dann strafbar, wenn den Betroffenen der Pass vorübergehend entzogen worden ist. Bisher galt eine illegale Ausreise bei vorübergehendem Passentzug nur als Ordnungswidrigkeit. Der Entzug ist möglich, wenn der Verdacht besteht, dass jemand das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland erheblich schädigen könnte.

Schon seit Februar haben Beamte der „Arbeitsgruppe Hooligan“ des Landeskriminalamtes verstärkt Erkenntnisse über so genannte „Problemfans“ gesammelt. Insgesamt gibt es in Berlin 330 gewaltbereite Hools der „Kategorie C“. Der Großteil ist zwischen 28 und 35 Jahren alt. Allein 200 Personen sind bei Spielen des BFC Dynamo aktiv, 80 gehören zur Fangemeinde des Erstligisten Hertha BSC, 50 zählen zum Umfeld des 1. FC Union.

Die meisten Hooligans gehen einer beruflichen Tätigkeit nach, viele haben nach Polizeiangaben Familie. „Bundesweit erfreuen sich Berliner Hooligans einer hohen Anerkennung in der Szene“, sagte Kommissariatsleiterin Tappendorf. Der Anteil von Rechtsradikalen liegt den Angaben nach bei unter fünf Prozent.

Die Hooligan-Szene hat die bevorstehende „Euro 2000“ im Internet schon jetzt zur „größten Schlacht der Fußballgeschichte“ erklärt. Eine 16-köpfige deutsche Polizeidelegation, der auch ein Beamter aus Berlin angehört, soll deutsche Straftäter an den Spielorten identifizieren. Erstmals hatte die Berliner Polizei am 8. März während des Champions-League-Spiels Hertha BSC gegen Sparta Prag eine Meldepflicht für 15 potenzielle Gewalttäter verhängt.

In der abgelaufenen Saison beobachtete die „Arbeitsgruppe Hooligan“ insgesamt 18 Bundesligaspiele, sieben Spiele der Champions League sowie zwei DFB-Pokalspiele. Dabei kam es zu 355 Freiheitsentziehungen. Mehr als zwei Drittel der vorläufig Festgenommenen waren zum Teil erheblich betrunken. Die Beamten schrieben 480 Anzeigen.

Bei ihren Beobachtungen gewann die Polizei offensichtlich auch Fußballkenntnisse. Vorläufig gelten die Einschränkungen der Reisefreiheit nur bis zum Ende der EM-Vorrunde. Die Auflagen könnten verlängert werden, wenn sich die deutsche Mannschaft für die Endrunde qualifiziert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen