piwik no script img

Misstöne in der Sprache des Humanismus

■ Die Johannesburger Storytellerin Gcina Mhlope tritt heute in der Musikhalle auf

Beim Transfer afrikanischer Literatur oder Musik nach Europa kommt es ja oft zu Unstimmigkeiten. Dazu gehört auch, dass nicht zuerst diejenigen Künstler hierher eingeladen werden, die im jeweiligen afrikanischen Land am populärsten sind. Die Johannesburger Schauspielerin und Autorin Gcina Mhlophe, die heute abend zusammen mit den Musikern Pops Mohammed und Bheki Khoza in der Musikhalle auftritt, kennen in Südafrika nur wenige, und das, obwohl sie inzwischen eine Reihe internationaler Preise vorzuweisen hat. Sie hält die Erzähltradition der Imbongi, der Griots des südlichen Afrika durch Geschichten aufrecht, in denen die Sprache des Humanismus anklingt.

Der Musiker Pops Mohammed dagegen ist auch in Südafrika populär, ohne Mainstream zu sein. Seine Karriere begann im Jazz, bis er sich in den 80ern traditioneller afrikanischer Musik zuwandte. Inzwischen gibt er zum Beispiel in den Townships – nach wie vor die Barackenviertel der ärmsten Schwarzen in Südafrika – Work-shops für Jugendliche: Er bringt ihnen bei, alte Musikinstrumente zu bauen und zu spielen. Ihm geht es wie Mhlope darum, unter burischer Herrschaft verschüttete kulturelle Formen wieder auszugraben. Er missversteht dies aber nicht als pure Rückkehr zu irgendwelchen Wurzeln; die sind ohnehin imaginär. So hat er nicht nur weiter Jazz gemacht, sondern auch als einer der wenigen Musiker Afrikas Drum'n'Bass-Platten herausgegeben.

Ausgerichtet wird die Veranstaltung vom Eine Welt Netzwerk der Evangelischen Akademie Hamburg. Bis 1994 waren es nicht zuletzt kirchliche Organisationen, die sich um die Skandalisierung der Apartheid in Europa bemüht haben. Doch seit Südafrika eine neue Verfassung bekommen hat, ist das Engagement etwas eingeschlafen. Um kulturellen Austausch wird sich dennoch weiter bemüht. Die bevorzugte Message dabei ist nach wie vor: Frieden und Versöhnung. Die Veranstaltung wird unter anderem durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert, während im südafrikanischen Uitenhagen VW zusammen mit der Gewerkschaft Numsa versucht, gegen einen wilden Streik die 45-Stunden-Woche und kürzere Pausen durchzusetzen. Aber solche Rechnungen gehen nie ganz auf, und auch mit Geschichten von humanistischem Sound kann man eine Menge Misstöne produzieren.

Christiane Müller-Lobeck

heute, 20 Uhr, Musikhalle, Kleiner Saal

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen