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Auf dem Rasen und im Kino: 1. FC Union Berlin, der Film

Der Ostberliner Fußballklub rüstet sich für den Aufstieg in die Zweite Liga. Dazu ist, nach der Niederlage im Relegationsspiel, jetzt ein Sieg nötig. Aber mit Hilfe der Kinowelt AG soll das gelingen

von MARKUS VÖLKER

Michael Kölmel bringt Filme auf die Leinwand. Zum Beispiel „The Blair Witch Project“ oder „Gottes Werk und Teufels Beitrag“. Damit verdient die Kinowelt AG ihr Geld. Kölmel hält auch Fußball für einen guten Film. Nicht immer, aber manchmal. Er hat da und dort ein bisschen Geld investiert. Auch in Union Berlin. Nicht einfach so, versteht sich. Sondern weil er den Klub aus dem Ostberliner Stadtteil Köpenick mag. „Union Berlin ist ein sehr guter Film.“

Kölmel hat verschiedene Gründe, solch einen Satz zu sagen. Der erste ist, dass er seine Sammelleidenschaft in Sachen Fußballklubs bei Union begann, seiner „Herzensangelegenheit“. Ein weiterer ist, dass das kein Zufall war. Denn Union erfüllt prototypisch die Rahmenbedingungen für ein Engagement der Kinowelt. Traditionsverein. Gutes Fanpotenzial. Zu DDR-Zeiten kein Spielball der Nomenklatura. Großstadtflair.

Da öffnete sich ganz schnell das Portemonnaie des Medienmannes. Und weil Fußball und Kino für Kölmel zusammengehören, wurde zum Relegationsspiel gegen den VfL Osnabrück um den Aufstieg in die Zweite Liga, das nach einem dramtischen Elfmeterschießen (8:7) verloren ging, das Spiel in zwei seiner Berliner Kinos übertragen. Union Berlin, der Film, auf dem Rasen und im Kinosaal! 800 Fans, die die Fahrt nach Osnabrück nicht antreten konnten, füllten die Kinositze am Donnerstagabend. Anfangs – ganz Hooligans – gab es ein paar Prügeleien, dann Jubel über die Führung, Enttäuschung am Ende.

Und dann gab es bei Kölmel noch eine Männerfreundschaft. Es ist kein Geheimnis, der Präsident von Union, Heiner Bertram, und eben Kölmel kommen ganz gut miteinander aus.

Sie werfen sich die Komplimente knüppeldick zu. Kölmel: „Ich hege Stolz und Bewunderung für die Mannschaft.“

Bertram: „Unser Verhältnis ist von großem Vertrauen geprägt. Wir legen großen Wert darauf, dies nicht zu enttäuschen.“

Kölmel: „Dass der Erfolg so rasend schnell kommt, war nicht zu erwarten.“

Bertram: „Durch ihn sind wir aus der Hölle gekommen und befinden uns momentan im Wartezimmer des Himmels.“

Der Himmel, das ist die Erste Bundesliga. Bis Union aber die Pforte ins Paradies durchschreiten kann, müssen sie noch einige Male auf den Läuterungsberg steigen, sozusagen. Nach der Niederlage in Osnabrück kann die Zweite Bundesliga per zweiter Relegationsrunde in der kommenden Woche immer noch geschafft werden.

Union will sein lauschiges Plätzchen verlassen. Die Regionalliga Nordost galt ein wenig als Ort der Reinkarnation für die alte DDR-Oberliga. Aber die Vereinsführung von Union legt keinen Wert auf nostalgische Duelle, sagt sie.

Auch der bulgarische Trainer Georgi Wassilev, der ein paar Kicker aus seinem Heimatland mitgebracht hat, denkt so. Man versucht sich der Zukunft zuzuwenden. Die Vergangenheit liefert natürlich ein festes Fundament für die Unternehmungen in der Marktwirtschaft. Bertram versichert, Union, das sei nicht offene Opposition gegen die da oben gewesen, aber der Klub habe als Nische gedient.

Für all jene, die ein bisschen zu feige waren, offen Front gegen die Staatsoberen zu machen, deren Mut aber ausreichte, einem unterprivilegierten Klub anzuhängen. Und für die, denen Union ein fußballerischer Gegenentwurf zum stasigelenkten Stadtkonkurrenten BFC Dynamo war.

Der 1. FC Union, ein Wendegewinner? „Langfristig gesehen, ja“, sagt Bertram. Aber wo das Geld fehlt, da nutzt das dickste Weißbuch der Geschichte nichts. 1997 stand der Verein vor dem Konkurs. Dann kam Bertram und Anfang 1998 Kölmel. Der gab das Darlehen, das zurückgezahlt werden muss, wenn der Verein auf festen Füßen steht. Kinowelt will über die Vermarktungsrechte mitverdienen.

Noch ist das illusorisch. Später vielleicht nicht. In der Zweiten Liga würde Union immerhin schon mal 6,8 Millionen Mark an Fernsehgeldern einstreichen, eine Etage drunter gibt es nur 640.000 Mark.

Union plant mit einem Budget von 13,5 Millionen Mark, mit zweieinhalbfach weniger Geld als Tennis Borussia zuletzt. Nach deren tiefem Fall buhlt Union schon jetzt um Position zwei in der Hauptstadt. Und irgendwann soll Hertha BSC Konkurrenz erwachsen.

Kölmel möchte Union zu „einem der wichtigsten Vereine in Deutschland“ machen. „Noch spielen wir eine Nummer kleiner als Hertha, aber diese Rolle relativ perfekt“, räumt Bertram ein.

Bis zur Position von Hertha ist es ein weiter Weg. Das Stadion in der Wuhlheide ist nur mit Auflagen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bespielbar. Und noch können Berliner im Westteil der Stadt nicht so recht zwischen dem BFC und Union unterscheiden.

Bertram muss sich oftmals die Frage gefallen lassen, ob denn Union der Verein mit den vielen Glatzen sei. Nein, sagt er dann, das sind die Hooligans von Dynamo.

Bis Union wirklich filmreif ist, muss noch einiges getan werden. Denn noch ist Union nicht mehr als eine Doku im Nachtprogramm eines Regionalsenders.

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