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DIE „KIRCHE VON UNTEN“ IST IM KATHOLISCHEN MAINSTREAM ANGEKOMMENEine Frage des Glaubens

Die Provokation sitzt: Die „Kirche von unten“, eine Organisation von linken katholischen Laien, wollte gestern abend ein „Ökumenisches Mahl“ feiern – samt eines katholischen Priesters, der zusammen mit Geistlichen anderer Konfessionen das Brot bricht und den Wein segnet, wie es ihr gemeinsamer Heiland Jesus Christus vor fast 2.000 Jahren gemacht hat. Und das, obwohl das Kirchenrecht dies ausdrücklich verbietet. Das aber schert die progressiven Katholiken wenig. Die „Kirche von unten“ hatte schon immer Sinn für Dramatik, auch wenn es das erste Mal ist, dass sie offiziell zum Katholikentag eingeladen wurde: Die Mahlfeier war dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken dann doch zu provokativ. Sie lief außerhalb des Kirchentagsprogramms.

Ist also die „Kirche von unten“ weiter ein Schmuddelkind im bunten Garten der Kirche? Nein, sie ist vielmehr bei vielen Themen im Mainstream der „allein selig machenden“ Institution angekommen. Wenn selbst der Papst nicht selten als der größte lebende Kapitalismusfeind auftritt, kann die „Kirche von unten“ niemanden mehr mit ihrer Globalisierungs-Kritik schocken. Zur Hilfe kommt ihr, dass die andere größere linke Laienorganisation, die „Kirchenvolksbewegung“, mit ihren Forderungen nach dem Ende des Pflichtzölibats oder der Priesterweihe für Frauen selbst konservative Katholiken erreicht. Viele von ihnen haben genug von der Politik des Papstes, der für das Innenleben der Kirche am liebsten das befreiende Zweite Vatikanische Konzil ungeschehen machen möchte. Selbst wenn die „Kirchenvolksbewegung“ auch Konkurrenz für die „Kirche von unten“ ist, so bereitet sie doch das Feld für beide vor.

Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass beide Organisationen 2003 ihre große Stunde haben werden, wenn in Berlin der erste ökumenische Kirchentag gefeiert wird. Dann werden sie massenhaft organisieren können, was heute noch eine Provokation ist: das gemeinsame Mahl evangelischer und katholischer Christen. Es ist schwer vorstellbar, dass in der Hauptstadt in drei Jahren zehntausende Christen zusammen kommen, beten, diskutieren und feiern – vor dem gemeinsamen Mahl aber zurückschrecken.

Wenn es tatsächlich 2003 den entscheidenden Schritt zu einer wahren Ökumene geben sollte, können sich das Organisationen wie die „Kirche von unten“ auf die Fahnen schreiben. Dass sie so lange Außenseiter blieben, ja manchmal gar als Spinner abgefertigt wurden, braucht sie nicht zu kümmern. Der Prophet gilt bekanntlich nichts im eigenen Land. PHILLIP GESSLER

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