: Rechte, nicht Religion
Bangladesch: Rokeya Kabir ist Direktorin einer Organisation, die Programme für Frauen durchführt
taz: Welche Rolle hat die Peking-Konferenz in Bangladesh gespielt?
Rokeya Kabir: Zunächst einmal löste die Vorbereitung auf die Peking-Konferenz bei uns Begeisterung und eine starke Mobilisierung aus. Frauenorganisationen identifizierten zentrale Themen, klärten ihre Positionen, einigten sich auf Forderungen und diskutierten Strategien. Das war ein wichtiger Selbstverständigungsprozess. Unsere Regierung hat nach der Konferenz zwar einen nationalen Aktionsplan verabschiedet, aber die zugesagten Finanzen nicht mobilisiert, die versprochenen geschlechtsdifferenzierenden Statistiken nicht vorgelegt.
Welche Handlungsmöglichkeiten haben denn die Frauenorganisationen, wenn die Regierung letztlich so wenig engagiert ist?
Für euch in Europa ist natürlich die Umsetzung das Wichtigste. Aber unser Ausgangspunkt ist ein anderer. In einer Gesellschaft, wo Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen weitgehend unsichtbar sind, ist es ein großer Schritt vorwärts, wenn sie ihre Anliegen in die Öffentlichkeit bringen und diskutieren können. Das macht Frauen sichtbar. Genau das konnten wir durch die Bezugnahme auf Peking leisten, und das ist überhaupt erst die Grundlage, von der aus wir Druck auf die Regierung ausüben können.
Sie sagen, dass Peking einen Mobilisierungseffekt hatte und dabei half, Frauenthemen auf die Tagesordnung zu setzen. Löste das nicht auch islamistische Gegenreaktionen aus?
In Bangladesch sagen fundamentalistische Gruppe immer, dass Frauenbewegung sich in unserer Kultur und für unsere Religion nicht gehört. Jetzt behaupten sie, wir könnten die Aktionsplattform nicht umsetzen, weil sie nicht mit unserer Religion übereinstimme. Der Einwand hat natürlich nichts mit Religion zu tun. In unserem Regierungssystem, im Banksystem und bei den Männern hat sich so viel verändert, was den religiösen Normen und Traditionen wider- spricht – und niemand heult auf. Aber wenn es um Frauenrechte geht, machen religiöse Führer Veränderungen plötzlich zur religiösen Nagelprobe. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir Frauen unsere Themen und die Aktionsplattform öffentlich diskutieren und sagen können: Hier geht es um Rechte, nicht um Religion.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen