: Ohren auf Zehn vor Zwei
Karens KochKunst – die Serie der taz hamburg für GenießerInnen. Teil 47: Mechthild Oertel und ihre Galloways ■ Von Karen Schulz
„Teddykühe“ nennt Züchterin Mechthild Oertel ihre Galloways liebevoll und treffend, schließlich sehen die zotteligen, ursprünglich aus Schottland stammenden Rinder Schmusetieren verblüffend ähnlich. Und sie verhalten sich auch so: Selbst die mit etwa 800 kg Gewicht recht eindrucksvollen Bullen kommen neugierig an, wenn man zu ihnen auf die Weide steigt, und wollen gekrault werden.
Das schmusige Äußere, die keck auf „Zehn vor Zwei“ stehenden Ohren, die an einen verspielten jungen Hund erinnern, und das sanfte Wesen der Rinder haben Mechthild Oertel zu ihrem „2. Lebensweg“, der Galloway-Zucht, gebracht: Seit 1992 züchtet sie diese in Bebensee in Schleswig-Holstein und hat in ihrem Leben dafür einiges umgestellt. So ist sie beispielsweise im VGTM, dem Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung, aktiv, organisiert den Vertrieb von Galloway-Produkten und erstritt vor Gericht das Überleben ihrer – durchweg gesunden – Tiere, als wegen BSE vorsichtshalber alle getötet werden sollten.
Dass sie dabei nicht nur auf die hohe Prämie pro Tier verzichtet, sondern auch ein kleines Vermögen in den Rechtsstreit investiert hat, findet Mechthild Oertel konsequent, schließlich will sie mit ihrer Züchtung dazu beitragen, dass landwirtschaftliche Nutztiere wieder ein tierwürdiges Leben führen und nicht einfach „produziert“ – und ebenso leicht als „Fehlproduktion“ vernichtet – werden können. Massige Fleischproduktion ginge mit Galloways allerdings sowieso nur schlecht, schließlich sind die genügsamen Tiere für die Mast nicht geeignet und würden auch weite Schlachttransporte nicht vertragen.
Dafür können sie das ganze Jahr über auf kärgeren Flächen draußen gehalten werden und sind nicht nur durch ihre Schönheit eine Augenweide, sondern haben mit ihrem freundlichen, spielerischen Wesen auch einen entspannenden Einfluss auf die Menschen, die sie näher kennenlernen.
Oertels erfreuen sich zur Zeit an einer Reihe neugeborener Kälber, die über die Weide tollen und auch schon neugierig näher kommen, wenn der „Oberteddy“, wie Mechthild Oertel ihre Rolle als Hirtin bezeichnet, auf die Weide geht. Noch wenige Wochen, dann wird sie die Kleinen auch streicheln dürfen – und schon bald mit ihrer Erziehung beginnen, damit sie ihre Hirtin als solche respektieren lernen und nicht im ausgewachsenen Alter aus Versehen beim Spielen umwerfen.
Oertels züchten die seltenen weißen Galloways mit schwarzen Ohren, Schnauze und Füßen und verkaufen sie häufig an andere Züchter. Trotzdem werden auch bei ihnen mehrere Tiere, etwa drei pro Jahr, geschlachtet. Auch wenn Mechthild Oertel dann den Tag über immer wieder um das Tier weint, isst sie das qualitätvolle Fleisch mit dem guten Gewissen, dass sie dem Tier ein schönes Leben in Freiheit und nicht „in der Dunkelhaft“ der Massentierhaltung ermöglicht hat.
Infos zu den Galloways und zum „Qualitätsfleisch vom Robustrind Galloway aus Schleswig-Holstein“ bei Mechthild und Holger Oertel, Tel./Fax 04552-9533 oder unter Oertel.Galloway@t-online.de.
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