: Alte Schikane frisch getüncht
■ Die Initiative „BürgerInnen beobachten die Ausländerbehörde“ sucht MitstreiterInnen, um mehr Flüchtlingen helfen zu können
„Die Wandfarbe ist neu – die Schikane geht weiter.“ So lautet die ernüchternde Bilanz der Initiative „BürgerInnen beobachten die Ausländerbehörde“. Die Initiative wurde im September 1999 von vier Studentinnen gegründet – ursprünglich als dreimonatiges Modellprojekt. Doch der Bedarf, Flüchtlingen in der Ausländerbehörde zur Seite zu stehen, sei weiterhin groß. Seit Februar allerdings begleiten die BeobachterInnen nicht mehr nur einzelne AusländerInnen bis ins Büro der SachbearbeiterInnen, sondern sind im Warteraum der Ausländerbehörde in der Amsinckstraße für alle ansprechbar.
Jeden Montag von 8 bis 16 Uhr sind Mitglieder der Initiative in der Abteilung für „aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ im 1. Stock vor Ort. Sie verteilen Handzettel an die Flüchtlinge, auf denen sie ihre Begleitung zu den SachbearbeiterInnen anbieten. „Ich war ziemlich schockiert, was da in einer Hamburger Behörde passiert“, so die BeobachterIn Christiane Wohltmann.
Die Atmosphäre in der Amsinckstraße sei geprägt von Angst, Unsicherheit und Verzweiflung, und den Angestellten scheine das alles gleichgültig zu sein, so Wohltmann. „Ein normaler menschlicher Umgang scheint hier nicht vorgesehen.“
Wartezeiten von bis zu 7 Stunden, ein undurchschaubares und willkürliches System beim Aufrufen der Wartenummern und obligatorisches Duzen erwarte die Flüchtlinge in der Ausländerbehörde. Beim Sachbearbeiter würden sie vor dem Schreibtisch stehend abgefertigt, teilweise ohne Blickkontakt, so Wohltmann. Formulare würden schlecht oder gar nicht erklärt, genauso wenig der Sinn der Unterlagen und der Maßnahmen in der Behörde. Schilder, Hinweise und Erklärungen seien ausschließlich auf deutsch, einen offiziellen Dolmetscher gäbe es nur in ganz dringenden „Notfällen“. Somit sei die Verständigung zwischen Sachbearbeiter und Flüchtling nur schwer oder gar nicht möglich.
Die Flüchtlinge empfänden die Begleitung durch die „BeobachterInnen“ als große Erleichterung. Menschenwürdig oder gar freundlich würden sie dennoch nicht behandelt, so die Initiative. „Ihre Rechte werden weiter missachtet, die Schikanen und Demütigungen setzen sich fort.“
„BürgerInnen beobachten die Ausländerbehörde“ wollen ihre Präsenz in der Ausländerbehörde auf die ganze Woche ausweiten. Dafür werden noch weitere MitstreiterInnen gesucht.
Berit Langeneck
Informationen gibt es unter 040 / 3990 5234.
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