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Bevormundung mit Solarenergie

■ Grüne besuchten zum Tag der Umwelt Sonnenenergieanlagen in Bremen / Wieviel Mitbestimmung duldet die Ökologie?

„Nein, so könnte ich nie wohnen.“ Empört betrachtet der grüne Vorstandssprecher Klaus Möhle die Fenster im „Jacobshof“, einem Wohnprojekt in Niedrigenergiebauweise in Borgfeld. „Diese pädagogische Bevormundung – kein Wunder, dass das nicht auf Gegenliebe stößt.“ Zum „Tag der Umwelt“ waren Grüne aus Fraktion und Landesvorstand gestern auf „Solartour“ durch Bremen gegangen. Gerade hatten sie von den Architekten des Jacobshofes erfahren, warum dort die Wohnungen Fens-ter haben, die sich nicht kippen lassen. „Luftdicht bauen und kontrolliert lüften“, das sei die Quintessenz beim Bau von Niedrigenergiehäusern. Wer mit gekippten Fens-tern lüfte, mache den ganzen Erfolg an Wärmedämmung wieder zunichte. „Alles Plastik und Beton“, stöhnte Klaus Möhle, der selber in einem Bauwagen lebt und mit Lehmbauten experimentiert.

Nein, Ökologie dürfe auf keinen Fall zur Bevormundung werden. Die Diskussion im Bus auf dem Weg zur nächsten Station der Besichtigungstour blieb beim Thema. „Das gilt doch auch für die Ökosteuer“, warf die Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert ein, „hohe Benzinpreise als ökologische Erziehungsmaßnahme, das kann nicht funktionieren.“

Für ökologisches Wohlverhalten, das im Jacobshof durch eine mechanische Kippsperre erzwungen wird, sorgen die Planer der Ecotec-Gebäude im Uni-Technologiepark mit ganz viel Elektronik. Das hatten die Grünen an der ersten Station ihrer Rundreise erfahren. 1.600 Messdaten werden in die zentrale EDV der Bürogebäude eingespeist, automatisch regeln sich danach Durchlüftung, Raumwärme, Beleuchtung und Sonnenschutz. Meldet die elektronische Wetterzentrale auf dem Dach steigende Temperaturen schieben sich automatisch Jalousien vor die Südfenster. Verlässt ein Mitarbeiter sein Büro, schaltet ein Bewegungsmelder das Licht aus. Schließt der Letzte die Tür ab, wird allen Steckdosen für Kaffeemaschinen, Dru-cker und ähnliche Geräte mit stromfressendem Standby-Betrieb der Saft abgedreht. Kommt am Morgen der erste Mitarbeiter zurück, ist der Strom sofort wieder da.

Ursprünglich hatte in allen Ecotec-Häusern die EDV-Zentrale das letzte Wort. Doch das musste nach Protesten der Mieter geändert werden. Jetzt lässt sich die Jalousie von Hand wieder lüften, um vom Arbeitsplatz trotz unökologischer Erwärmung einen Blick auf die Sonne werfen zu können. Ase

Die „Solartour“ wird auch für das allgemeine Publikum angeboten – das nächste Mal am 21. Juni um 16 Uhr. Informationen dazu und zu den zurzeit laufenden Solar-Aktionswochen gibt es bei der „Solarinitiative Bremen“ unter Tel. 3766718.

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