Aktion saubere Blumenstadt

Bis zur Bundesgartenschau will Potsdam seine Hausbesetzer loswerden. Die Räumung eines Hauses führte am Wochenende zu heftigen Auseinandersetzungen. Erstmals wurde ein viertägiger Vorbeugegewahrsam gegen Festgenommene erlassen

aus Potsdam BORIS KANZLEITER

In Potsdam geht die Auseinandersetzung um die verbliebenen besetzten Häuser in eine neue Runde. Nach dem erklärten Willen der SPD/CDU-Koalition im Potsdamer Landtag sollen diese bis zum Beginn der Bundesgartenschau im nächsten Jahr verschwunden sein.

Nach der polizeilichen Räumung des „Boumanns“, eines besetzten Hauses und Kulturtreffpunkts in der Innenstadt am Donnerstag kam es am Wochenende zu heftigen Auseinandersetzungen. Fensterscheiben von fünf Bankenfilialen wurden eingeschlagen, Barrikaden gebaut. Eine unangemeldete Demo mehrerer hundert Unterstützer der Hausbesetzer am Sonntag löste die Polizei auf.

Augenzeugen berichten von einem zum Teil brutalen Vorgehen. „Die Polizei führte eine regelrechte Menschenjagd durch“, erklärt ein Sprecher des Ermittlungsausschusses. Im Innenstadtbereich und vor den besetzten Häusern zeigten teilweise mit Maschinenpistolen bewaffnete Beamte Präsenz. „Die Polizei hat die Bewohner verschiedener besetzter Häuser faktisch unter Hausarrest gestellt“, meint der Ermittlungsausschuss.

Nach Polizeiangaben befanden sich gestern Nachmittag noch 40 Personen in Gewahrsam. Zehn davon sitzen in viertägigem Vorbeugegewahrsam, das vom zuständigen Amtsgericht auf Antrag der Polizei angeordnet wurde. Über die anderen 30 war noch nicht entschieden. Die Anzeigen gegen sie reichen von Körperverletzung über Sachbeschädigung bis Schwerer Landfriedensbruch. Polizeisprecher Geert Piorkowski wies den Vorwurf eines brutalen Vorgehens zurück. Die Polizisten hätten lediglich auf Straftaten reagiert.

Lutz Böde, Geschäftsführer der Fraktion Die Andere der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung, wies dagegen auf die kontinuierliche Verschärfung der polizeilichen Maßnahmen in Brandenburg hin. Noch als alleinige Regierungspartei hatte die SPD 1996 die Möglichkeit des Vorbeugegewahrsams geschaffen. „Nach unseren Informationen wird davon jetzt zum ersten Mal Gebrauch gemacht“, erklärt Böde. Dabei sollen Personen festgehalten werden, um eine Straftat zu verhindern.

Brandenburg würde zum Exerzierplatz für die „Hardliner der inneren Sicherheit“, kritisiert Böde. Derzeit wird im Landtag über eine weitere Verschärfung des Polizeigesetzes diskutiert, die den verstärkten Einsatz von Videoüberwachung und den finalen Rettungsschuss durch Polizeibeamte ermöglichen soll.

„Die ordnungspolitischen Hardliner der CDU versuchen in Potsdam politisch und visuell ungeliebte Erscheinungen wegzuräumen“, meint Böde. Brandenburgs Innenminister ist Jörg Schönbohm (CDU), der schon als Berliner Innensenator alle besetzten Häuser räumen ließ.

Ob das am Donnerstag geräumte „Boumanns“ tatsächlich geräumt bleibt, steht unterdessen noch nicht fest. Der Hausbesitzer hat Bereitschaft signalisiert, über eine Rückkehr der Bewohner zu sprechen. Die Räumung fand nicht auf seine Veranlassung, sondern auf Grund eines Feuerwehreinsatzes statt.