: Unterstützen darf nichts kosten
■ „Viva Rahlstedt“ muss alle MitarbeiterInnen entlassen, weil Behörde Geldhahn zudreht und Krankenkassen nicht einspringen
Ende Juni macht „Viva Rahlstedt“ die Pforten dicht. Zwar unterstützt auch die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) den ambulanten Drogenentzug von Junkies – nur bezahlen will sie ihn nicht. Da die Krankenkassen nicht bereit sind, in die Bre-sche zu springen, musste der Träger „Jugendhilfe“ allen MitarbeiterInnen zum Monatsende kündigen.
Seit neun Jahren bietet die Einrichtung in Hamburgs Osten ambulanten Entzug: Drogenentwöhnung für KlientInnen, die dafür nicht in eine Klinik gehen, sondern in ihrem sozialen Umfeld verbleiben wollen. Neun Jahre hat die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) das Projekt durch jährliche Zuwendungen finanziert. Doch plötzlich will sie nicht mehr zuständig sein. Was Viva biete, sei eine medizinische Leistung und dafür wären bekanntlich Krankenkassen zuständig, befand Sozialsenatorin Karin Roth (SPD) und drehte zum Jahresende den Geldhahn zu.
Erst nachdem sie Fakten geschaffen hatte, nahm die BAGS über die Weiterfinanzierung von „Viva“ Gespräche mit den Krankenkassen auf. Die sind über das forsche Handeln der Sozialsenatorin verblüfft. „Wenn die BAGS nicht mehr zahlen will, heißt das nicht, dass es sofort jemand anderes tut“, sagt Ulrike Zeising, Sprecherin der AOK. Dafür müsste bei Viva zumindest eine Ärztin arbeiten, die zur Abrechnung mit den Kassen ermächtigt ist, und das sei nicht der Fall. Zudem behandle Viva viele SuchtpatientInnen mit Akupunktur, und das sei keine Kassenleistung. „Die BAGS muss gewusst haben, dass die Kostenübernahme durch die Krankenkassen kein Selbstgänger wird.“
Dennoch hat die Behörde dem Träger zum Jahreswechsel noch als einmalige Leistung die Hälfte des bisherigen Etats ausbezahlt und darauf vertraut, dass sich das Problem klären werde. Jetzt ist das Jahr halb um, das Geld verbraucht und eine Lösung nicht in Sicht. „Der Finanzierungsstreit darf nicht auf dem Rücken der Klienten und der Beschäftigten in der Drogenhilfe ausgetragen werden“, hatte der Bezirksvorsitzende der Gewerkschaft ÖTV, Wolfgang Rose, Anfang März noch gewarnt. Nun blieb Viva nichts anderes übrig, als den MitarbeiterInnen die Kündigung zu überreichen. Zwar gab es am Montag erstmals ein Gespräch mit der BAGS, bei dem diese ganz neue Finanzierungsmodelle angedeutet habe. Aber „auch wenn wir eine Lösung finden, wird die nicht am 30. Juni unter Dach und Fach sein“, sagt Projektleiter Uwe Günther.
„Entgiftung ist eine medizinische Leistung“, verteidigt BAGS-Sprecher Stefan Marks das Vorgehen. „Es wäre sachgerecht, diese aus Mitteln der Krankenkasse zu bezahlen.“ Da die Kassen oftmals neuen Behandlungsmethoden skeptisch gegenüberstehen, sei es üblich, ein Projekt zunächst mit Staatsmitteln auf die Beine zu stellen und dann die Weiterfinanzierung zu klären. „Jetzt wird uns daraus ein Strick gedreht.“ Elke Spanner
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