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Strahlemänner ohne Milchmädchen-Rechnung

■ Gestern beriet die Bürgerschaft die beiden Haushalte 2000 und 2001 / Defizit: 3,5 Milliarden Mark / Alternative der Grünen: Schulden abbauen und weniger investieren

Geturtel einerseits, schmeichelnd die Roten, gnädig die Schwarzen, und immer drauf auf die Grünen – das war der Ton der gestrigen Haushaltsberatungen, die natürlich mit der Verabschiedung der Haushalte 2000 und 2001 endeten. Die Eckdaten: Beide Haushalte haben ein Gesamtvolumen von rund 15 Milliarden Mark, das Ausgabendefizit beider Jahre beträgt rund 3,5 Milliarden und soll mit Sanierungszahlungen des Bundes sowie Krediten ausgeglichen werden.

Die Grünen hatten eine Alternative erarbeitet, blieben damit gestern ohne Chance, machten aber deutlich, wo die Fronten verlaufen: Volle Pulle Investitionen und kräftiges Drücken auf die konsumtiven Kosten, so die Koalitionslinie. Oder aber nicht ganz so viele Investitionen, dafür aber mehr Konsumtives für mehr Lebensqualität und mehr Einwohner, so die grüne Argumentation. Ihre Idee: Zehn Prozent Kürzung bei den Investitionen, 250 Millionen Projekten wie Rennbahn, Ocean-Park oder Space Park alias Einkaufszentrum, weitere 150 Millionen durch Verkauf von Flughafen und Messe GmbH. Weg von der „unhanseatischen Großmannssucht“, so die grüne Fraktionschefin Karoline Linnert. Stattdessen: Mehr Geld für die verlässliche Grundschule, mehr Lehrer, freie Jugendarbeit, Gesundheit oder Stadtkultur, last not least ein Bremerhavener Auswanderermuseum.

„Diese grüne Politik bringt Bremerinnen und Bremer zum Auswandern, aber sie bringt nichts anderes“, konterte CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff und wa-tschte auch gleich die Roten ab: den Kleingärtnern nicht zu sagen, dass die Technologieparkerweiterung nach Süden nicht ohne Verluste funktioniere – nicht schön, dass, „wenn es unbequem wird, immer nur noch ein Koalitionspartner zu sehen ist.“ Aber sonst: alles super. Bremen im Vergleich mit anderen Bundesländern weit oben.

Das sah die SPD genauso. „Sparen und investieren, Kurs halten, aber nicht Augen zu und durch“, lobte SPD-Fraktionssprecher Jens Böhrnsen, und mit fast zärtlichem Seitenblick auf Henning Scherf: „Und nicht nach Kategorien von Lust oder Unlust.“ Sprachs und betonte Positives: Rhodarium nein, Rennbahn für die Hälfte, insgesamt zehn Millionen Mark mehr für die verlässliche Grundschule oder 20 Millionen für Compis in Grundschulen. Und die geplanten Kürzungen für die Kinderbetreuung seien nicht realistisch: „Uns scheint es nicht darstellbar, dort bis zum Jahr 2005 insgesamt 26,3 Millionen Mark einzusparen.“ Das werde man gemeinsam mit der CDU nochmal prüfen. „Sie sehen, diese Koalition funktioniert.“

Und die Grünen haben keine Ahnung. Ihr Antrag sei eine „Milchmädchenrechnung“, so Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU): „Wenn ich ein strukturelles konsumtives Defizit im Sanierungszeitraum von 800 Millionen Mark auf Null zu bringen habe, kann ich doch nicht weniger investieren und mehr komsumtive Ausgaben tätigen.“ Der Grüne Helmut Zachau stellte klar: Viele konsumtive Ausgaben seien Zinskosten. Das Investitionsprogramm enthalte erhebliche konsumtive Anteile – „Ihre Argumentation“, so Zachau in Richtung Perschau, „ist nicht redlich.“

Während innen die Abgeordneten debattierten, hatten draußen rund 1.400 SchülerInnen demonstriert. Gegen die geplante Erhöhung der Klassenstärke an den Gesamtschulen. „Streiks sehe ich ungern“, sagte dazu Bildungssenator Willi Lemke (SPD). Er werde ohne Bevorzugungen „von Schule zu Schule prüfen, ob Einsparungen möglich sind.“ Das war die Antwort auf einen grünen Vorwurf an die Adresse der CDU: Denn die nutze, so Helmut Zachau, das Motto „Sparen und Konsolidieren“ als Alibi für „eine eigentlich ideologisch begründete Maßnahme, weil der CDU Gesamtschulen insgesamt nicht passen.“ sgi

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