: zensur im kreml
Kritische russische Medien werden verfolgt
Der Fernsehsender NTW der wegen kremlfeindlicher Veröffentlichungen in die Schusslinie geratenen Media-Most-Gruppe ist die einzige landesweite Anstalt, die noch nicht vom Kreml kontrolliert wird. NTW ist professioneller und bemüht sich um mehr Ausgewogenheit als die staatlich kontrollierten Medien ORT und RTR. Den zweiten Tschetschenien-Krieg kritisierte jedoch auch NTW nach monatelangem Propagandajournalismus erst spät. Zur Media-Gruppe gehört der Radiosender „Echo Moskau“, dem Bill Clinton als einzigem Medium bei seinem Besuch ein Interview gab. Dem Gründer der Media-Most, dem Oligarchen Wladimir Gussinski, habe der Chef von Putins Präsidialkanzlei, Alexander Woloschin, ein Angebot gemacht: „Woloschin sagte, wir zahlen dir 100 Millionen US Dollar, damit du uns vor den Wahlen nicht mehr im Weg stehst.“ Der Kreml hat sich an die Hilfestellung auch der unabhängigen Medien gewöhnt. Im Wahlkampf 1996 nutzten die Finanzbarone und Medienzaren ihren Einfluss, um die Wahl des Kommunisten Gennadi Sjuganow zu verhindern und Boris Jelzin für eine weitere Amtsperiode zu inthronisieren. Zur Belohnung gab es neue Sendefrequenzen. Als Media-Most jetzt nicht mehr bereit war, nach der Pfeife der Hofkamerilla zu tanzen, sah der Kreml darin eine offene Kriegserklärung. Ein Hebel, den Sender in die Botmäßigkeit zu zwingen, sind dessen Schulden bei der Wneschekonombank und dem Gasgiganten Gasprom, in deren Vorständen Kreml-Emissäre sitzen. Besonderen Zorn hegt die Kremlriege gegen die satirische Marionettenshow „Kukly“ („Puppen“), die die byzantinischen Intrigen auf den Korridoren der Macht allwöchentlich aufs Korn nimmt. Anstoß erregt auch die Realsatire-Sendung „Itogo“. Autor beider Shows ist der Publizist Wiktor Schenderowitsch. Mehrfach intervenierte der Kreml, um die Putin-Puppe aus dem Verkehr zu ziehen. Wiktor Schenderowitschs vorauseilender Gehorsam sorgte für Spannung ... KHD
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