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Die Bedingungen sind andere

Globalisierung und Europäisierung nehmen die Protestbewegungen in Anspruch. Noch hat sich die Szene nicht reorganisiert. Doch Spaß gehörte immer schon dazu

taz: Wie haben sich Protestformen in den vergangenen Jahren verändert?

Peter Hocke: Die Protestformen der links-libertären Gruppen haben sich gar nicht so stark geändert. Musik- und andere erlebnisorientierte Veranstaltungen gab es auch schon früher. Die organisatorische Struktur hat sich aber verändert. Das Akteursspektrum ist heute sehr viel ausdifferenzierter. Das geht von hochgradig professionalisierten bis hin zu spontanen Organisationsformen.

Das Spektrum ist differenzierter, aber es gibt gleichzeitig weniger Protest. Woran liegt es denn, dass die Bewegungen so erlahmt sind?

Politik und Gesellschaft haben sich gewandelt. Der Kosovokrieg ist ein Beispiel dafür, dass Entscheidungen nicht mehr unbedingt im nationalen Rahmen, sondern auf anderen Ebenen getroffen werden können. Darauf müssen die oppositionellen Szenen reagieren. Dieser Prozess ist für Protestgruppen wie die der inzwischen kleinen Friedensbewegung noch lange nicht abgeschlossen. Es demonstrieren plötzlich Gruppen, die klassisch zu den Privilegierten gehören und die früher nicht demonstriert hätten. Die CDU sammelt Unterschriften gegen die zweite Staatsbürgerschaft, Ärzte gehen mit Trillerpfeifen auf die Straße. In diesem Kontext, in dem fast alle gesellschaftlichen Gruppen das Recht nutzen zu demonstrieren, oppositionelle Politik zu machen, die gut ist und überzeugt, ist sehr schwierig.

Es scheint so, als ob die Aktionsformen immer spaßorientierter werden.

Das, was heute als politisch bezeichnet wird, hat sich enorm ausdifferenziert. Die Politikfelder sind multipliziert worden. Deshalb ist es schwierig, auf all diesen Politikfelder neben der klassischen politischen Gesetzgebung aktiv zu sein. Protestgruppen waren aber noch nie nur machtorientiert, sie hatten immer auch ein kulturelles Standbein. Neben inhaltlicher Überzeugung können Kultur und Spaß wichtige Größen sein, um Unterstützer für ein Anliegen zu finden.

Wie hoch ist denn das Mobilisierungspotenzial derzeit?

Protestgruppen und soziale Bewegungen zeichnen sich ja dadurch aus, dass sie keine festen Mitgliedschaften haben. Die „Mitglieder“ müssen von Aktion zu Aktion neu überzeugt werden, dass es Sinn macht, sich genau hier zu engagieren und Zeit, Geld und andere Ressourcen zu investieren. Deshalb ist das Potenzial schwer einzuschätzen. Das zeigt sich an den Castortransporten oder der schon oft totgesagten Anti-Atomkraftbewegung.

Die Frustration in den Gruppen ist momentan sehr hoch.

Die Protestszene hat sich fragmentiert und ist von der Globalisierung und Europäisierung sehr in Anspruch genommen. Sie befindet sich in einem Suchprozess, wie auf diese Veränderungen reagiert werden kann. Ich gehe aber davon aus, das sie ihre Botschaften so formuliert, dass sie breitere Unterstützung findet. Was aber das Politikfeld ist, das die Leute heute ausreichend sexy finden, um sich massenhaft zu organisieren, können nur die Akteure ausprobieren und so herausfinden.

INTERVIEW: JULIA NAUMANN

Der Politikwissenschaftler Peter Hocke arbeitet am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und ist Experte für Protestbewegungen

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