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Schiffe in der Nacht?

Der britische Premier Tony Blair genehmigt widerwillig eine Pro-Euro-Kampagne. Die OECD meint, Großbritannien könne jetzt der gemeinsamen Währung beitreten

DUBLIN taz ■ Am liebsten hätte der britische Premierminister Tony Blair das Wort „Euro“ bis nach den Wahlen im nächsten Jahr aus der englischen Sprache verbannt. Doch am Wochenende hat sich nun auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in die Diskussion um Britanniens Beitritt zur Einheitswährung eingemischt. Die Aussichten für Wirtschaftswachstum und Inflation in Großbritannien seien „ziemlich beneidenswert“, schreibt die OECD in ihrem Bericht. Staatsverschuldung, Inflation, Zinssätze und Kredite – die Briten erfüllten die Maastrichter Kriterien für den Euro-Beitritt mit Leichtigkeit.

„Bei mehreren Punkten ist das Vereinigte Königreich genauso nahe, wenn nicht näher, am wirtschaftlichen Zentrum der Eurozone als einige Länder, die bei der Währungsunion mitmachen“, heißt es im OECD-Bericht. „Britain in Europe“, die Pro-Europa-Gruppe, der Gewerkschafter, Labour-Leute und einige Tories angehören, begrüßte den Bericht. „Das hohe Pfund schadet der Industrie und den Investitionen immer mehr, und es ist klar, dass es keine kostenfreie Option ist, der Einheitswährung fernzubleiben“, sagte ein Sprecher.

Janet Bush, Direktorin der Anti-Euro-Gruppe „New Europe“, meinte dagegen: „Die OECD hat eine sehr selektive Wahrnehmung, wenn es um die wirtschaftliche Konvergenz zwischen Britannien und dem Euroland geht. Sie stützt ihre Analyse auf eine Hand voll wirtschaftlicher Indikatoren, die sich sehr wohl als vorbeifahrende Schiffe in der Nacht erweisen könnten.“

Doch selbst die von der Regierung aufgestellten langfristigen Bedingungen für einen Euro-Beitritt seien nahezu erfüllt, glaubt die OECD. Nachdem die Europäische Zentralbank am Wochenende die Zinssätze um ein halbes Prozent erhöht hat, liegen sie nur noch 1,75 Prozent unter dem britischen Wert. Dadurch ist der Euro gegenüber dem Pfund Sterling auf seinen höchsten Wert seit sieben Monaten gestiegen, gegenüber der deutschen Währung steht jenes jetzt bei 3,15 DM.

In der Downing Street hört man das alles gar nicht gerne. Das Londoner Fianzministerium hat sechs Wochen lang mit der OECD um jedes Wort gerungen, damit deren Bericht kein allzu rosiges Bild von den Vorteilen eines Euro-Beitritts malt. Laut Meinungsumfragen wollen nämlich zwei Drittel der Briten am Pfund Sterling festhalten, und Tory-Chef William Hague versucht, die Wahlen zu einem Referendum über den Euro-Beitritt zu machen – mit der simplen Botschaft „Keep the Pound“.

Auch innerhalb der Labour Party ist das Thema umstritten. Offenbar haben die Euro-Fans aber nun die Oberhand behalten. In dieser Woche werden sie auf verschiedenen Veranstaltungen und in Informationsbroschüren für Britanniens Beitritt zum Euro argumentieren, das hat Blair genehmigt. Sein Meinungsumschwung hängt mit den verheerenden Folgen des überbewerteten Pfundes zusammen. Von Anfang 1999 bis Mai 2000 ist die Währung von 2,75 Mark auf 3,40 Mark gestiegen und hat die britische Industrie in Bedrängnis gebracht. Unternehmen aus vielen Branchen drohen mit Abwanderung und kaufen Zulieferteile nicht mehr in Britannien, sondern im Ausland.

Trotz starker Konjunktur ist die Industrieproduktion gesunken, 1999 gingen 200.000 Industriejobs verloren, in diesem Jahr wird die Zahl ebenso hoch sein. Der Industrieverband hat vor kurzem seine Prognose für das Jahr 2000 von 2,6 auf 0,5 Prozent Wachstum korrigiert. Jetzt hofft die Pro-Euro-Lobby, dass der Abwärtstrend beim Pfund endlich der patriotischen Sterling-Gläubigkeit den Wind aus den Segeln nimmt. RALF SOTSCHECK

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