■ Kolumne
: Das Florado

Ich saß mit meinem Freund Nago Hountohué vor der Pastelleria Transmontana am Schulterblatt. Auf dem Parkplatz stand ein betrunkener Punk. „Nach der Revolution werdet ihr als erste erschossen!“, grölte der. „Von wem eigentlich?“, fragte Nago. „Wer eigentlich?“, antwortete ich. „Ob er gemerkt hat, dass er in Richtung der Flora gerufen hat?“ – „Das hat er womöglich übersehen“, sagte Nago.

„Hast Du Dir schon einmal überlegt, dass die Flora in zwei Jahren weg ist?“ – „So mächtig ist die Bild-Zeitung wohl doch nicht“ – „Die Bild-Zeitung nicht. Aber wenn die FDP bei der nächsten Bürgerschaftswahl zehn Prozent bekommt, wird sie mit der CDU und Richter Schill die Regierung bilden...“ – „...und dann wird Schill die Flora zusammen mit dem Wachdienst des Axel-Springer-Verlags noch in der Nacht vor den Koalitionsverhandlungen räumen“, ergänzte ich und schaute mich vorsichtig um. Es könnte schließlich sein, dass mich hier jemand falsch versteht.

Doch in der Nähe sass nur der Lifestyle-Fotograf Arnold Stelters. „Glaubst Du, die FDP findet einen Hamburger Möllemann?“ fragte ich Nago. „Eine Mischung aus Ingo von Münch und Wolfgang Joop?“, sagte der. „Im Zweifelsfall nehmen sie eine Troika: Dietrich Schwanitz, der macht bei allem mit, was Publicity bringt, dazu Christiane von Salm-Salm und irgendein Internet-Unternehmer - oder ein HipHopper.“ – „Samy Deluxe?“, fragte ich. „Weil der für eine Liberalisierung des Marihuana-Konsums steht, meinst Du? Aber der mag keine Schwulen“, sagte Nago. „Die Hasch-Freigabe könnten sie tatsächlich fordern. Schließlich wäre Hamburgs erfolgreichster Kulturexport, der HipHop, nichts ohne Kiffer. Und Leistung muss sich wieder lohnen!“

„Und was wird aus der Flora?“, fragte ich Nago. „Vielleicht kann sich Stelters in der Ruine dann ein schönes Atelier aufbauen“. – „Nicht nur das. Hier wird binnen eines Jahres das Florado entstehen, ein Zentrum für Multimediagenturen, mit angeschlossener Prada-Boutique, der Leoncavallo-Lodge und einer Filiale von Starbucks Coffee.“, sagte Nago.

„Ein Starbucks, hier. Wann macht das auf?“ fragte Arnold Stelters. Er hatte uns wohl doch zugehört. „Sobald das Florado fertig ist“, antwortete ihm Nago grinsend. „Toll! Die haben 140 verschiedene Sorten Kaffee“, schwärmte Stelters. „140 verschiedene Sorten?“, sagten Nago und ich. Wir schauten uns an, zuckten mit den Schultern und nahmen beide einen Schluck von unserem Milchkaffee.

Sebastian Hammelehle