: „Weil der Mensch ein . . .“
In Dessau starb ein Mosambikaner an den Folgen eines rassistischen Überfalls. Der Bürgermeister ist „bestürzt“ und froh, dass die Täter nicht aus der Weill-Stadt stammen
DRESDEN taz ■ Mitten im kulturvollen „Gartenreich Wörlitzer Park“ liegt Dessau und mitten in Dessau der Stadtpark. Gern erinnern die Dessauer an Kurt Weill, den berühmtesten Sohn der Stadt, der einst sang: „Und weil der Mensch ein Mensch ist“.
Seit Pfingstsonntag gilt das in Dessau nicht mehr. Ein Mensch, der sich nach einer Feier nachts um zwei auf den Heimweg durch den Stadtpark machte, durfte nicht mehr Mensch sein. Drei Jugendliche – 16, 17 und 25 Jahre alt – beschimpften ihn, rissen ihm die Kleider vom Leib, quälten, schlugen, misshandelten den Menschen so schwer, dass er gestern seinen Verletzungen erlag. Der „Fehler“ des Menschen: seine Hautfarbe.
Noch am Tatort konnte die von einem Zeugen herbeigerufene Polizei die Täter aus Wolfen und dem brandenburgischen Bad Liebenwerda festnehmen. In der ersten Vernehmung bestätigten sie: Fremdenhass sei ihr Motiv gewesen. „Zumindest der 16- und der 17-Jährige aus Sachsen-Anhalt sind in der Vergangenheit im rechtsextremen Umfeld in Erscheinung getreten“, erklärte Staatsanwalt Hermann Josef Gerhards gegenüber der taz. Bei dem Täter aus Brandenburg werde dies derzeit noch überprüft.
1.750 Ausländer leben in Dessau. Als Ausländer fühlte sich der 39-jährige Mosambikaner allerdings längst nicht mehr. Seit fast 20 Jahren lebte er, der einst als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen ist, in der Weill-Stadt. Hier lernte er seine Frau kennen, hier wurden seine drei Kinder – acht, drei Jahre und fünf Monate alt – geboren.
Lange Zeit funktionierte das Zusammenleben der 84.000 in- und ausländischen Einwohner Dessaus eigentlich ganz gut, befindet Razak Minhel, Ausländerbeauftragter der Stadt. Zuletzt hätte aber die Aggressivität speziell gegen dunkelhäutige Dessauer enorm zugenommen. Minhel kann für diese Entwicklung viele Gründe nennen. „Die aktuelle Bundespolitik ist für das ausländerfeindliche Klima in Deutschland aber hauptverantwortlich“, sagt der Iraker. Kampagnen wie „Kinder statt Inder“ oder die Unterschriftenkampagne der CDU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft würden viele Deutsche geradezu als Bestätigung ihres Ausländerhasses verstehen.
Mit „Bestürzung“ reagierte gestern Hans-Georg Otto (SPD), Oberbürgermeister Dessaus, auf die Todesnachricht. „Nur ein sehr schwacher Trost“ sei, dass die Täter nicht aus „unserer Stadt“ kamen, meint er. Nicht nur Dessau, das ganze Land Sachsen-Anhalt hat ein gewaltiges Problem mit dem Rechtsextremismus. Seit Jahren ist es vor Mecklenburg-Vorpommern das Bundesland mit mit den meisten fremdenfeindlichen Delikten pro 100.000 Einwohner.
In Meisdorf, nahe Quedlinburg, waren am frühen Pfingstsonntag in einer Diskothek sechs Jugendliche von zehn 19- bis 21-Jährigen angegriffen worden. Die zu einem Freundschaftsspiel nach Sachsen-Anhalt gereisten Wiesbadener Fußballer waren – obgleich in Deutschland geboren – türkischer oder afrikanischer Herkunft. Alle Täter waren der Meinung: Ausländer haben hier nichts zu suchen.
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