Mütterliche Schwester

Wenige Medienfrauen sagen unumwunden, dass sie lesbisch sind. Etwa Maren Kroymann, Schauspielerin und Sängerin

von NADINE LANGE

Bevor sie lange rumredet, singt sie lieber: „That’s all right, Mamma!“ Maren Kroymann trifft den Elviston sofort. Genauso schnell verwandelt sie sich in Christiane Herzog oder Claudia Nolte. Sie macht das ganz beiläufig, wie andere Leute Fremdwörter in ihre Rede einfließen lassen.

Zur Zeit mischen sich besonders viele Songzeilen in ihre Sprache. Das kommt daher, dass Maren Kroymann gerade an einem Comeback als Sängerin arbeitet. In den letzten zwei Wochen ist sie an fünf Abenden in der kleinen Berliner „Bar jeder Vernunft“ mit ihrem Programm „Gebrauchte Lieder“ aufgetreten. Der Titel klingt sehr bescheiden, und auch die mitternächtliche Stunde, zu der sie auftritt, deutet auf Zurückhaltung hin. Doch die ist gar nicht nötig: Ob mit Cowboyhut oder im schwarzen Paillettenkleid, als Sängerin macht die Kroymann eine gute Figur. Im Elvistimbre beklagt sie den „Poor Boy“, mit Hank Williams fleht sie „Take These Chains From My Heart“, wobei sie die Stimme auf dem letzten Wort effektvoll kippen lässt. Und in Dusty Springfields Ballade „You Don’t Have to Say You Love Me“ erweist sie sich als wahre Röhre.

Kaum zu glauben, dass diese Frau mehr als zehn Jahre nicht auf einer Bühne gesungen hat. Dabei hatte eben damit ihre Karriere begonnen. Damals, Anfang der Achtzigerjahre, hieß ihr Motto „Auf Du und Du mit dem Stöckelschuh – Vom Mädel zum Fräulein, vom Fräulein zur Frau“. Mit parodierten Schlagern aus den Fünfzigerjahren sang sie gegen das reduzierte Frauenbild ihrer Jugendzeit an. Das kam so gut an, dass sie vier Jahre mit der Show unterwegs war.

Feministisch engagiert blieb Kroymann auch nach ihrem Wechsel in die Welt der Fernsehserien – natürlich etwas unauffälliger. So spielte sie in „O Gott, Herr Pfarrer!“ zwar eine recht brave Mutti und Ehefrau, doch hinter den Kulissen haute sie schon mal auf den Tisch: Einmal sah das Drehbuch vor, dass sich eine Schülerin nicht traut, auf ein Karussell zu steigen, weil sie kein Höschen unterm Rock trägt. Kroymann entschied, das seien Männerfantasien, und die Szene flog raus.

Wieder eine Mutter war sie in der ARD-Vorabendserie „Vera Wesskamp“. Diesmal hatte sie aber auch noch einen Job: Sie leitete das Frachtkahnunternehmen ihres verstorbenen Mannes. So hätte Maren Kroymann sicher ohne Not weitermachen können: als Darstellerin erfolgreicher Anwältinnen oder Lehrerinnen, die sich trotz Stress immer liebevoll um ihre Familie kümmern. Diese Zukunft jedoch sollte nicht in Serie gehen. Denn 1993 ließ sich Kroymann mit ihrer Geliebten Susanne Elvers für den Stern ablichteten und sagte fortan offen, dass sie eine Frau liebt.

Da ging die Klappe bei den Programmverantwortlichen erst mal runter. Eine Lesbe als Mutter? Das geht nicht. Eine Lesbe als irgendwas? Unmöglich. Es war eine turbulente Zeit, aber bereut hat sie das Ganze nicht – auch wenn Serienangebote nach dem Outing ausblieben. „Ich fand es sehr befreiend“, sagt Kroymann rückblickend. „Weil ich danach insgesamt mutiger geworden bin.“ Außerdem, schiebt sie nach, hatte sie eh genug vom Mutterfach und wollte etwas Neues anpacken. Etwas Komisches, etwas Eigenes.

Sie stellte eine Satiresendung auf die Beine, die in der Tat meilenweit von ihren Bildschirmauftritten entfernt war: Die „Nachtschwester Kroymann“ war eine Meisterin an der Giftspritze. Besonders erfolgreich behandelte sie prominente Frauen wie Nina Ruge, bei der sie einen „Vulvamund“ diagnostiziert hatte. Aber auch die kranke Männerwelt wurde gepflegt: „Sie gehören mal wieder so richtig durchgefickt“, meinte die Schwester zu ihrem nörgelnden Chef.

Vor drei Jahren war dann Schluss mit lustig im Sprechzimmer: Oberärztin Sabine Christiansen bekam den Sendeplatz, und die Nachtschwester wurde ohne Substitution und gegen ihren Willen nach Hause geschickt. „Ich denke“, sagt sie, „die ARD war ganz froh, dass sie mich elegant los geworden ist. Eigentlich war ich denen zu frech und zu feministisch.“ Auch Kroymanns Verwandte mäkelten früher gern an ihren Sendungen herum. „Meine Schwägerin meinte immer, ich hätte so blöde Haare.“

Inzwischen hat sich die Familie in ihrer schwäbischen Heimat an den Anblick gewöhnt. Und nach einer Zeit „eigenartigen Schweigens“ hat sie sich auch damit arrangiert, dass Maren Frauen liebt. Vier Jahre hielt ihre Beziehung zu der rund zwanzig Jahre jüngeren Schauspielerin Susanne Elvers, die derzeit als sächselnde Suzanne in der „Lindenstraße“ zu sehen ist. Inzwischen gibt es an der Seite von Maren Kroymann eine neue Frau: Sie heißt Claudia Müller, ist Fernsehjournalistin und fünfzehn Jahre jünger als Kroymann. Beide wohnen nicht weit voneinander entfernt im Berliner Bezirk Friedenau.

Der lesbisch-schwulen Szene der Stadt ist das Paar bestens bekannt seit einem Auftritt als spärlich bekleidete Covergirls des Homostadtmagazins Siegessäule im November 1997. Und vor kurzem wurde sie von den LeserInnen in die „Ruhmeshalle“ gewählt. In der Community ist die Kroymann eine kaum mehr wegzudenkende Größe: Ob schwul-lesbischer Filmpreis, Aidsgala oder Christopher Street Day – sie ist dabei, meistens sogar an einem Mikrofon. So hat sie sich nebenbei zu einer der wenigen prominenten lesbischen Öffentlichkeitsarbeiterinnen in Deutschland entwickelt.

Für eines lässt sie sich allerdings nicht einspannen: die Homoehe. „Das Konzept Ehe hat mich nie fasziniert. Schließlich haben Frauen darin immer den Kürzeren gezogen“, sagt sie und legt sich in dieser Frage auch schon mal mit dem Grünenpolitiker Volker Beck an. Statt für die Ehe plädiert Kroymann für eingetragene Partnerschaften.

Auch in der Fernsehunterhaltung, findet sie, könnten die Frauenbilder gerne moderner sein. Wie das aussehen könnte, weiß die Kabarettistin auch schon: Sie hat eine Pilotfolge für eine Sitcom produziert, in der sie eine kinderlose Psychologin darstellt. Bisher wollte aber kein Sender das Konzept übernehmen, denn „bei Frauen und Intellekt machen die sofort zu“.

Für die Erweiterung des Sendekonzepts um ein Kind ist Kroymann nicht zu haben. Eine Mutterrolle hat sie trotzdem schon wieder eingefangen: 2001 wird für RTL die Comedyserie „Mein Leben und ich“ gedreht. Im Mittelpunkt steht eine Sechzehnjährige, deren Mutter eine wohlmeinende Musiktherapeutin mit Achtundsechzigeridealen ist. „Es liegt wohl am Alter, dass ich wieder bei einer Mutter gelandet bin“, sagt Kroymann und lacht. Sie lacht viel. Die zwei schönen tiefen Falten um ihren Mund verraten, dass ihr das nicht so schnell vergeht. Mutterrollen hin oder her.

NADINE LANGE, 27, ist freie Journalistin und lebt in Berlin