Migration spaltet Koalition

Der ausländerpolitische Sprecher der SPD, Thomas Kleineidam, wirft dem Koalitionspartner CDU eine „strenge Abschreckungspolitik“ gegenüber Flüchtlingen vor und warnt vor „dauerhaftem Konflikt“

von ANDREAS SPANNBAUER

Der Umgang des Landes Berlin mit Asylbewerbern sorgt für Zündstoff zwischen den Koalitionspartnern CDU und SPD. „Mit der CDU-Fraktion ist ein kleinster gemeinsamer Nenner kaum zu finden“, kritisierte der migrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Thomas Kleineidam, gestern. Kontroversen gibt es vor allem in der Frage des Umgangs mit traumatisierten Flüchtlingen und bei der so genannten „Altfall-Regelung“.

Falls die Christdemokraten an ihrem „strengen Abschreckungskurs“ festhalten sollten, werde es „einen dauerhaften Konflikt“ geben, sagte Kleineidam weiter. Dieser könnte sich auch auf das Abstimmungsverhalten der SPD auswirken. Schon im April hatte die SPD zusammen mit PDS und Grünen eine Liberalisierung der Altfall-Regelung durchgesetzt.

Insbesondere der bisherige Umgang mit traumatisierten Bürgerkriegsflüchtlingen wird von Kleineidam scharf kritisiert. Die Senatsinnenverwaltung erkennt bislang nur Gutachten des Polizeiärztlichen Dienstes an. Dabei wurden nach Darstellung des SPD-Abgeordneten in der Vergangenheit unter anderem Kinder als Dolmetscher eingesetzt, um die Darstellung einer Vergewaltigung der Mutter zu übersetzen. „Der Zustand, dass keine Gutachten von externen Experten akzeptiert werden, ist nicht hinnehmbar“, sagte der SPD-Politiker. Der Sozialausschuss will am 6. Juli über eine Neuregelung beraten.

Differenzen gibt es auch über die Umsetzung der von der Innenministerkonferenz beschlossenen Altfall-Regelung. Sie besagt, dass abgelehnte Asylbewerber, die seit dem 1. Juli 1993 in der Bundesrepublik leben, eine befristetete Aufenthaltsgenehmigung bekommen, wenn sie selbst für ihren Unterhalt aufkommen. Minderjährige sind in Berlin bisher von dieser Möglichkeit ausgeschlossen. Der Innenausschuss hatte deshalb Innensenator Eckart Werthebach (CDU) im April mit den Stimmen von SPD, PDS und Grünen aufgefordert, die Altfall-Regelung auch für Kinder und Jugendliche umzusetzen. Werthebach lehnt dies ab und verweist auf unklare Regelungen auf Bundesebene. SPD und PDS appellierten daraufhin am Donnerstag an den Innensenator, sich für eine Vereinheitlichung einzusetzen. Bis dahin sollen Abschiebungen ausgesetzt werden. Der Antrag wird derzeit von der Senatsinnenverwaltung geprüft. Nach Angaben des Flüchtlingsrates hängt davon das Schicksal von 80 – 100 Kindern und Jugendlichen ab.

Einig sind sich die Koalitionspartner nur in der Frage der Regelanfrage beim Verfassungsschutz vor einer Erteilung der Staatsbürgerschaft. Diese wurde bisher von den CDU-verwalteten Bezirken durchgeführt, während Bezirke mit SPD-Bürgermeistern darauf verzichteten. Zukünftig soll das Land Berlin der neuen Kompromisslösung zufolge generell auf eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz verzichten. Die Bewerber müssen aber eine Erklärung unterschreiben, in der sie sich zu ihrer Verfassungstreue bekennen. Sollte sich später herausstellen, dass sie „terroristischen Aktivitäten“ nachgehen, könnte ihnen die Staatsbürgerschaft aberkannt werden. Das Grundgesetz sieht einen Entzug der Staatsbürgerschaft nur in Ausnahmefällen vor. Die Rechtmäßigkeit des Kompromisses ist daher noch klärungsbedürftig.