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Die da oben mit ihrer Expo

betr.: Weltausstellung in Hannover

Zu wenig Besucher auf der Weltausstellung? Das wundert mich gar nicht. Ist das Produkt Expo schlecht vermarktet worden? Nein. Die Werbesendungen alleine übers Fernsehen waren und sind massiv, ohne Frage, nur die Infizierung der Bürger scheint misslungen. Warum?

Zum einen ist Frau Breuel kein guter Sympathieträger. Zum anderen ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die Identifikation mit der Expo auch über den Preis stattfindet.

Wenn Sie, so wie ich, weniger als 1.600 Mark im Monat auf der Hand haben, wissen Sie: „Ist zu teuer“. Anfahrt, Verpflegung und das alles drum herum, wer kann sich das aus meinem Freundeskreis leisten?

Meine Freunde, also wir hier in der unteren Verdienstzone, erleben die Expo als ein aufgeblasenes Spektakel fernab vom ganz einfachen Leben. „Frau Breuel, es gibt sie noch, einfache Leute, die kein Eigenheim haben, die kein großes Auto fahren, die keine Aktien besitzen. Es sind nicht wenige, das scheint Ihnen entgangen zu sein.

Wie oft soll ich fast 70 Mark Eintrittsgeld bezahlen, bei über 50 Kilometer Fußweg vor mir, um alles auf der Expo zu besuchen? Ich bin kein Marathonläufer, der das alles an einem Tag schafft.

Oder habe ich das falsch verstanden? Gibt es das Ticket drei bis vier Tage lang? Solange bräuchte ich nämlich, um alles stressfrei zu sehen. Na ja, liebe Frau Breuel. Sie sind nicht die Einzige, die im deutschen Staat die Tuchfühlung mit dem einfachen Volk verloren hat. Jetzt gerade beschleicht mich ein Verdacht: Wenn die da oben das mal nicht von vorne herein geplant hatten, das im Endeffekt mit unseren Steuergeldern zu bezahlen. [...]

Vielleicht lässt sich „die Breuel“ neue Eintrittsvarianten einfallen. Zum Beispiel ein bis zwei Prozent des monatlichen Nettoeinkommens. Das könnte ich mir leisten! Die da oben sponserten mit ihren ein bis zwei Prozent Peanuts die Expo. Hei, das wäre ein Spaß! Und viele meiner Freunde kämen dann auch.

RUDOLF POKORRA, Wolfach

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